Magazin 2023
Editorial
Die Filmabende der Woche der Kritik sind eine Einladung zur Debatte. Filme treffen bei uns ebenso aufeinander, wie unsere Gäste auf der Bühne. Wir wissen nicht immer, wie sie sich im Kinosaal verstehen werden. Aber wir schlagen ihnen vor, sich aufeinander einzulassen und kennenzulernen. Die Fragen, die wir im Kino aufstöbern, liefern uns nicht selten die Inspiration für kommende Festivalausgaben. Doch unsere Debatten sind nicht auf die Bühne und die Leinwand begrenzt: Sie verlassen das Gebäude, vertiefen sich nachts in der Bar, ziehen sich durch nachfolgende Tage. Sie werden Gegenstand von Texten und Briefwechseln, sie lassen Freundschaften und Widersprüche entstehen.
Zum dritten Mal flankiert neben dem Videoarchiv unserer Diskussionen auf Youtube ein Online-Magazin unsere Kinoabende. Hier sind Texte von und Gesprächen mit denen versammelt, die das Kino beschäftigt – unabhängig davon, ob sie sich beruflich mit dem Kino beschäftigen. Unser Redakteur Patrick Holzapfel beschreibt, wie die Texte zu ihm und er zu den Texten gefunden hat:
Im diesjährigen Online-Magazin habe ich versucht, verschiedene Stimmen von innerhalb und außerhalb der Filmkultur zusammenzubringen. Die Idee war, unterschiedliche Echokammern zu schaffen, die sowohl das diesjährige Festivalmotto als auch einzelne Programme reflektieren. Themen wie Schlaf, Sexualität, Achtsamkeit, Natur, Marginalisierung oder Mutterschaft tauchen in verschiedenen Kontexten auf und werden aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Ich habe die Autor*innen eingeladen, so frei und offen wie möglich zu schreiben.
Die Redaktionsarbeit habe ich absichtlich sehr persönlich gestaltet. Ich denke, dass es in der schnelllebigen Festivalwelt sehr schwierig ist, bedeutungsvolle Dialoge zu führen, deshalb wollte ich tiefere Gespräche und Korrespondenzen ermöglichen, die auch nach dem Festival interessant zu lesen sind. Ich hoffe, dass die Aspekte, die mich im Magazin beschäftigt haben, auch für die Leser*innen interessant sind und diejenigen erreichen, die die Filme, die sie sehen, mit der Welt in Verbindung bringen wollen, in der sie leben.
Im Magazin finden sich Gespräche über verschiedene Formen der (Für)Sorge im Kino. Im Dialog mit Andréa Picard haben wir über Schwierigkeiten und Freuden des Schreibens über das Kino sinniert, während ich von Janneke van Dalen viel über die Arbeit in Filmarchiven gelernt habe. In beiden Fällen ließen sich Risse erahnen. Sie verlaufen zwischen Idealismus und notwendigen Anpassungen an sich verändernde Anforderungen. Es war mir eine große Ehre, mit der schottischen Dichterin und Essayistin Kathleen Jamie zu korrespondieren. Wir kreisten um verschiedene Wege, der Natur zu begegnen und überlegten gemeinsam, wie ein Blick auf die uns umgebende Welt heute aussehen könnte.
Darüber hinaus stellen zwei Interviews einen Dialog mit unseren Programmen her. Das eine ist mit dem Kriegsjournalisten Till Mayer, der seit Jahren aus der Ukraine berichtet. Er hat mit mir über seine Arbeit gesprochen und darüber, was es bedeutet, Bilder in Kriegszeiten zu machen.
Da wir einen Film mit einer sehr, sehr speziellen Matratze zeigen, THE FIFTH THORACIC VERTEBRA, wollte ich mehr über das Objekt wissen, auf dem die meisten von uns jede Nacht schlafen. Ich habe mit Michael Stege gesprochen, einem Experten für Matratzen und überzeugten Anhänger der Schlafkultur.
Im Laufe des Festivals werden drei weitere Dialoge als Podcasts erscheinen, die sich alle um verschiedene Ideen der Unbekümmertheit im Kino drehen.
Es gibt auch einige wichtige Kommentare, die über den Zustand des Kinos nachdenken, wie Roger Kosas Essay über den Umgang europäischer Filmfestivals mit Filmen aus Lateinamerika oder Tara Karajicas Überlegungen darüber, was es bedeutet, Filmkritikerin und Mutter zu sein.
Christoph Huber hat eine erstaunliche Chronik des Kinos auf dem Mars erstellt und der legendäre TumblR Ozu Teapot hat eine Screenshot-Extravaganza rund um Fetische im Kino geschaffen.
Alejandro Bachmann reflektiert in einem längeren Essay über die Implikationen für die Vermittlung und Lehre des Kinos. Er versteht das Medium als Ursprung von Korrespondenzen und Beziehungen, als ein Netz, in dem jeder Faden eine Bedeutung hat und mit dem man sorgfältig umgehen muss, ein Netz, das wir mit unserer Publikation zu imitieren versuchen.