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Up for Debate: Talking Style

Up for Debate: Talking Style

Kunstsprache / Talking Style

Von Julia Lübbecke

Kunstsprache: ein auf mich zunächst diffus wirkendes Wort. Was soll das sein? Ist hier ganz banal die jeweilige Art des Sprechens von Künstler:innen in ihren Kunstwerken gemeint? Oder geht es um die Art, wie über Kunst gesprochen wird? Die von zeitgenössischen Kurator:innen gewählten sprachlichen Konstrukte, die oftmals ins fantastisch-akademische Abseits hoch in den sogenannten Elfenbeinturm führen? Beim Nachdenken über die Kombination der Begriffe Kunst und Sprache bemerke ich, dass eine Verbindung entsteht, wenn ich sie voneinander trenne. Beide rufen in mir dieselben Assoziationen auf: die Frage nach Verständnis und Zugänglichkeit.

Wieviel muss ich verstehen von der visuellen und auditiven Sprache, die Künstler:innen und Filmemacher:innen in ihren Werken wählen, damit mir diese als Betrachter:in zugänglich sind? Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich möchte nicht Zugänglichkeit und Verständlichkeit gleichsetzen oder unterstellen, dass das Eine das Andere automatisch bedingt. Wenn ich bei meinem anfänglichen Gedanken bleibe, dass Kunstsprache die ästhetischen Mittel beschreibt, die eine Künstler:in oder Filmemacher:in wählt, um sich auszudrücken, dann ist das Potential des Unverständnisses ein nicht zu unterschätzendes. Mein Unverständnis ist das, was mich an einem Kunstwerk oder Film reizt, was Neugierde weckt. Sprich: Unverständnis kann mir ein Kunstwerk oder einen Film zugänglich machen. Hierzu muss ich als Person bereit sein, den Moment des Nicht-Verstehens nicht nur auszuhalten, sondern genießen zu können. Es genießen, darüber nachzudenken, warum sich eine Situation aus meiner Perspektive nicht erschließen lässt. Und zu akzeptieren, dass Verständnis nicht immer das Ziel ist.

Mein Unverständnis gegenüber dem Begriff der Kunstsprache wird noch verstärkt, wenn ich mir das in diesem Rahmen gewählte englische Pendant anschaue: Talking Style. Hier denke ich an Arten und Weisen, wie gesprochen wird, beispielsweise in Dialekten oder sogenannten slangs. Ich muss an ein Buch denken, das mir vor kurzem in die Hände fiel: „The Essence of Jargon“ von Alice Becker-Ho. Im Kapitel „WHAT SLANG IS“ heißt es: „Slang is what the dangerous classes truly possess. What differentiates it from ordinary language, however, is the fact that, in addition to fulfilling the function of communication, it has one of protection to fulfill.” Eine Sprache, die auf Kommunikation innerhalb einer spezifischen Gruppe ausgelegt ist; eine Sprache, die womöglich davor schützt, dass diejenigen einen verstehen, die einen unterdrücken und ausbeuten. Ein notwendiger Schutz in Gesellschaften, in denen Marginalisierung auf der Tagesordnung steht. In diesem Kontext ist Unverständlichkeit explizit das Ziel. Diese schützende Funktion von sogenannten Talking Styles lässt sich auch in Bezug auf Kunstwerke und Filme identifizieren. Besonders bei der Betrachtung und Bewertung dieser Arbeiten ist es wichtig, die eigene Perspektive zu reflektieren und nicht zu erwarten, dass ich verstehen muss. Das eigene Unverständnis kann dazu einladen, mehr über Adressaten der jeweiligen künstlerischen Arbeiten oder Filme nachzudenken und im Unklaren die politische Dimension der Werke zu erkennen.

 

Ein Video der Debatte finden Sie hier.