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Das Filmprogramm 2021

HORSE TAIL

SUNRISE IN MY MIND

FREIZEIT ODER: DAS GEGENTEIL VON NICHTSTUN

DRACULA SEX TAPE

RED POST ON ESCHER STREET

FAUNA

WATCH OVER ME

Das Filmprogramm 2021

Körperbilder, die auf Bildkörper treffen. Filmemachen am Rande der Gesellschaft und Eindrücke vom Ende des Lebens. Formspiele, die von Strategie und Durchlässigkeit erzählen. Und Nebenrollen, die zu Hauptrollen werden. Das Filmprogramm der Woche der Kritik 2021 ist komplett und wird vom 27. Februar bis 7. März deutschlandweit per Stream verfügbar sein. Debatten zu den Programmen finden vom 1. bis 7. März täglich online statt und werden live übertragen.

Bei der Woche der Kritik ist es Prinzip, Filme miteinander zu konfrontieren, um beim Sehen und Diskutieren unerwartete Fragen aufzuspüren. Im Rahmen des Programms „Vom Suchen und Finden des Kinos“ trifft mit Kamal AljafarisAn Unusual Summer“ einer der etabliertesten palästinensischen Filmemacher auf zwei junge Stimmen des indischen Films: Manoj Leonel Jahson und Shyam Sunder entwerfen in „Horse Tail“ einen Körper, der keinen Sinn ergibt – nicht ergeben soll, nicht ergeben muss: Ein Mann erwacht mit einem Pferdeschweif. Der Film vermengt von Psychologie bis Mathematik alles, was dem Helden auf der Suche nach einer Erklärung in den Sinn kommt, und widersetzt sich dabei nicht nur der Logik im Allgemeinen, sondern insbesondere der Logik dessen, was indisches Kino angeblich definiert. In „An Unusual Summer“ bilden die Bilder selbst den Körper und werden von Kamal Aljafari auf Gefühle und Spannungen hin durchsucht. Eine Überwachungskamera, die sein verstorbener Vater 2006 an der eigenen Hauswand anbrachte, filmt mehr schlecht als recht alltägliche Eindrücke des arabischen Viertels in der Stadt Ramla, deren Bevölkerung überwiegend jüdisch ist. Eine Ermittlung der anderen Art und ein dokumentarischer Kriminalfilm, der sich mit Vergnügen ins Experimentelle wagt.

Für die zweite Festivalkooperation der Woche der Kritik 2021 konnten wir das Mumbai Film Festival und das Courtisane Festival aus Belgien gewinnen, deren Profile wir beim Programm „Durchblick“ ergründen wollen. Wir diskutieren kuratorische Linien, programmatische Ideen und finden heraus, warum das Kino sich nicht zusammenfassen lässt. Mit „Watch Over Me“ von Farida Pacha betont das Mumbai Film Festival den politischen Dokumentarfilm und präsentiert eine Arbeit, die die Auseinandersetzung mit Menschenrechten in Indien untrennbar macht vom Akt des Sehens. Die Regisseurin und ihr Kameramann begleiteten Vertreter*innen eines palliativen Pflegedienstes bei Krankenbesuchen und filmen schwer kranke Menschen, die teilweise nur noch begrenzt in der Lage sind, auf die Anwesenheit einer Kamera zu reagieren. Farida Pachas Ethik der drastischen Annäherung tritt in Kontrast zum Courtisane-Programm, das Systemfragen berührt, die nicht direkt abbildbar sind: Mit den drei tunesischen Arbeiten „Foyer“ (R: Ismaïl Bahri), „Oumoun“ (R: Fairuz Ghammam, El Moïz Ghammam) und „This Day Won’t Last“ (R: Mouaad el Salem) lotet das Programm aus, wie Filmemachende mit der Einschränkung ihrer Freiheit umgehen und dennoch unermüdlich Bilder finden, um politische Verhältnisse erfahrbar zu machen. Der Wind wird zum Schnittmeister, vier Wände fächern eine Welt auf und die Zukunft ist queer! 

Weil gefällige Gesprächsformate bei Filmfestivals zur Gewohnheit geworden sind, hält die Woche der Kritik auch 2021 an der Idee fest, Diskussionsroutinen durch performative Formate infrage zu stellen. Seit 2020 erproben wir mit unseren Streitgesprächen, was geschieht, wenn Filmkritiker*innen ohne Regisseur*innen über ein Programm debattieren und ohne Vorbehalte auf Filme reagieren. „Red Post on Escher Street“, der neue Film von Sion Sono, sollte hierfür ausreichend Anreize bieten: Der japanische Provokateur rechnet darin mit der unabhängigen Filmszene seines Landes ab und fordert ein für alle Mal, alle Nebendarsteller*innen endlich ins Zentrum des Kinos zu rücken. Was diese Forderung mit Olivier Godins neuem Kurzfilm „Dracula Sex Tape“ und absurdem Humor zu tun hat, werden wir uns von unseren Gästen erklären lassen. Olivier Godin hat uns bereits mit seinem Film „Waiting for April“ in Staunen versetzt, als er 2018 bei der Woche der Kritik zu Gast war, und zeigt weiterhin, dass er zu den einfallsreichsten Stimmen des komischen Gegenwartskinos gehört.

Der Filmemacher Nicolás Pereda ist einer der sichtbarsten Vertreter des jüngeren mexikanischen Kinos. Seine bisherigen 12 Langfilme waren bei fast allen großen Festivals der Welt zu sehen. In rund 30 Retrospektiven haben Institutionen und Veranstaltungen seine Karriere kartografiert, noch bevor er sein 40. Lebensjahr vollendet hat. Mit seinem neuen Film „Fauna“ stellt er eine dichte Atmosphäre von Paranoia und Absurdität her und lässt mediale Fiktionen auf mexikanische Realitäten treffen. Nicht weniger doppelbödig ist der kambodschanische Kurzfilm „Sunrise in My Mind“, die zweite Regiearbeit von Danech San. Sie schloss sich 2015 dem Produktionskollektiv Anti-Archive an, das sich über die Filmpraxis der Frage stellen will, wie die junge Generation kambodschanischer Regisseur*innen sich zu Vergangenheit und Geschichte positioniert. In den letzten Jahren schafften mehrere Arbeiten der Gruppe den Sprung in die Programme großer internationaler A-Festivals. Unter dem Titel „Der große Bluff“ debattieren wir ausgehend von den beiden Positionen über strategisches Kino, filmische Brüche, verspielte Menschenbilder und den Traum von der perfekten Illusion.

Mitglieder des Programmteams

Die Woche der Kritik verfolgt bei der Besetzung der Auswahlkommission das Prinzip eines rotierenden Programmteams. Gemeinsam mit Dennis Vetter (Künstlerische Leitung) haben dieses Jahr Senem Aytaç, Devika Girish, Lucía Salas und Giovanni Marchini Camia die Filmauswahl gestaltet. Aufgrund der veränderten Situation der Film- und Festivallandschaft fanden dieses Jahr neben recherchierten Filmen auch Einreichungen Berücksichtigung.

Senem Aytaç ist seit 2004 Autorin und Redakteurin des ALTYAZI Filmmagazins und war dort von 2006-2017 Chefredakteurin. Außerdem ist sie Projektleiterin, Vizepräsidentin und Gründungsmitglied der Altyazı Cinema Association. Aktuell betreut sie dort das Projekt Altyazı Fasikül, das die unabhängige Filmkultur in der Türkei unterstützen soll. Sie schreibt regelmäßig über Film und gibt Seminare zum Kino.

Devika Girish lebt in New York und arbeitet als Autorin, Redakteurin und Programmgestalterin. Bei Film at Lincoln Center ist sie als Redaktionsassistentin des Film Comment Magazins tätig und verantwortlich für die Talks Programmreihe des New York Film Festival. Ihre Texte erscheinen unter anderem bei der New York Times, Sight & Sound, Reverse Shot, Village Voice und Criterion. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, etwa 2018 mit dem National Arts and Entertainment Journalism Award sowie 2019 mit dem Southern California Journalism Award.

Lucía Salas ist eine argentinische Filmkritikerin, Programmgestalterin und Filmemacherin, die irgendwo in Spanien lebt. In ihrer Arbeit navigiert sie sowohl durch das Gegenwartskino als auch die Filmgeschichte, unter anderem als Redakteurin des Magazins La vida útil, als Moderatorin der Podcast-Reihe We Can’t Go Home Again, und Kuratorin bei Vitrine Filmes. An der UBA hat sie Image and Sound Design studiert, bei CalArts das Masterstudium Aesthetics and Politics abgeschlossen und promoviert derzeit an der UPF im Rahmen des Communications Programms.

Giovanni Marchini Camia lebt in Berlin und arbeitet als Filmkritiker, Herausgeber und Programmgestalter. Er ist Mitgründer von Fireflies Press, einem unabhängigen Verlag, der sich schwerpunktmäßig mit Entwicklungen im Gegenwartskino beschäftigt. Seit 2021 ist er Mitglied der Auswahlkommission des Locarno Film Festival. Seine Texte erschienen unter anderem bei Film Comment, Sight & Sound, The Guardian, BOMB, Filmmaker, Cinema Scope und Cineaste.

Alle Programme auf einen Blick

Debatte: AUF SPUREN

THE SKY IS RED
R: Francina Carbonell, CL 2020, 73 Min., spanische OmeU – Deutschlandpremiere

LETTER FROM YOUR FAR-OFF COUNTRY
R: Suneil Sanzgiri, US/IN 2020, 17 Min., Hindi/Urdu, OmeU – Deutschlandpremiere

Debatte: ÜBERERKENNUNG

FIRST IN FIRST OUT
R: Zacharias Zitouni, DE/AL 2020, 26 Min., deutsche OmeU

INTIMATE DISTANCES
R: Phillip Warnell, GB/US 2020, 61 Min., englische OF – Deutschlandpremiere

Debatte: DER GROSSE BLUFF

SUNRISE IN MY MIND
R: Danech San, KH 2020, 14 Min, khmerische OmeU – Europapremiere

FAUNA
R: Nicolás Pereda, MX/CA 2020, 70 Min., spanische OmeU

Debatte: STREITGESPRÄCH

DRACULA SEX TAPE
R: Olivier Godin, CA 2021, 5 Min., französische OmeU – Weltpremiere

RED POST ON ESCHER STREET (ESCHER DORI NO AKAI POSUTO)
R: Sion Sono, JP 2020, 147 Min., japanische OmeU – Deutschlandpremiere

Debatte: DURCHBLICK

Kurzfilmprogramm
FOYER
R: Ismaïl Bahri, FR/TN 2016, 32 Min., arabisch-französische OmeU
OUMOUN
R: Fairuz Ghammam, El Moïz Ghammam, BE/TN 2017, 14 Min., arabische OmeU
THIS DAY WON’T LAST
R: Mouaad el Salem, BE/TN 2020, 25 Min., arabische OmeU

WATCH OVER ME
R: Farida Pacha, DE/CH/IN 2020, 92 Min., Hindi/Malayalam, OmeU – Deutschlandpremiere

Debatte: VOM SUCHEN UND FINDEN DES KINOS

AN UNUSUAL SUMMER
R: Kamal Aljafari, DE/PS 2020, 80 Min., arabische OmeU – Deutschlandpremiere

HORSE TAIL (KUTHIRAI VAL)
R: Manoj Leonel Jahson, Shyam Sunder, IN 2020, 125 Min., tamilische OmeU – Internationale Premiere

Debatte: KUNSTSPRACHE

FREIZEIT ODER: DAS GEGENTEIL VON NICHTSTUN
R: Caroline Pitzen, DE 2021, 71 Min., deutsche OmeU – Weltpremiere

A MUSEUM SLEEPS (UN MUSÉE DORT)
R: Camille de Chenay, FR 2020, 71 Min., französische OmeU – Internationale Premiere