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Back to the Class Issue

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14. Februar 2025 – 19:00 Uhr Hackesche Höfe Kino

Filme:
EMERGENCY EXIT
COMPASSION AND INCONVENIENCE
THE VAMPIRES OF POVERTY
CASABLANCA

Debattenformat: SCHWERPUNKT

Der Filmabend zu unserem Schwerpunktthema: Die Debatte nimmt die Diskussionen der Auftaktkonferenz auf und überträgt sie auf die Gestaltungsmittel von Filmen. Welche blinden Flecken hat das Kino, wenn es um Klassenverhältnisse geht? Und lässt sich sozialer Status überhaupt sichtbar machen?

Gäste: Friedl vom Gröller, Vika Kirchenbauer, Adriano Valerio, Sinthujan Varatharajah

EMERGENCY EXIT
(USCITA DI SICUREZZA)

R: Friedl vom Gröller, AT 2024, 5 Min., deut. OmeU – Deutsche Premiere

Verlangsamte Silhouetten im Gegenlicht und steinige Texturen, Tourist*innen auf einer Brücke in Italien und der teilnahmslose Blick einer Arbeiterin – dazu auf der Tonspur das unheimliche Voice-over der Filmemacherin, das von einem Bruch kündet, von einer Revolution. In EMERGENCY EXIT verwebt die Fotografin und Filmemacherin Friedl vom Gröller die Ballade der Seeräuber-Jenny aus Brecht und Weills Dreigroschenoper mit körnigen 16-mm-Bildern zu einem kurzen, intensiven Film, der zu gleichen Teilen bedrohliches Requiem, melancholische Rachefantasie und Reflexion über Kamerapolitik ist. Wenn die herrschende Ordnung tatsächlich alternativlos ist, bleibt nur der Notausgang.

Friedl vom Gröller, 1946 in London geboren, verbrachte ihre Kindheit in Wien und Berlin. Von 1965 bis 1969 studierte sie Fotografie an der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt und realisierte 1968 ihre ersten Filme. 1971 legte sie die Meisterprüfung in Fotografie ab und eröffnete ein kommerzielles Fotoatelier. Ihre Beiträge zu Fotografie und Film wurden vielfach gewürdigt: 2005 erhielt sie den Österreichischen Staatspreis für Fotografie, 2017 den Österreichischen Kunstpreis für Film. Neben ihrem künstlerischen Wirken engagierte sich Friedl vom Gröller auch in der Förderung des Nachwuchses in Film und Fotografie. 1990 gründete und leitete sie die Schule für Künstlerische Photographie in Wien, die sie bis 2010 führte, und 2006 gründete sie die Schule für Unabhängigen Film, an der sie weiterhin junge Filmschaffende unterstützt. Ihre Werke wurden in renommierten Screenings und Ausstellungen weltweit gezeigt, darunter im Centre Pompidou in Paris, Tate Modern in London, auf der Berlinale, dem Toronto International Film Festival, dem Hong Kong International Film Festival und dem Bafici in Buenos Aires.

COMPASSION AND INCONVENIENCE

R: Vika Kirchenbauer, DE 2024, 30 Min., engl. OmeU 

Aber wird die Kunst ihr Publikum verstehen? Vika Kirchenbauer inszeniert eine queere Sprech-Performance mit Zungenbrechern, die die Rhetorik der ersten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst im London des 18. Jahrhunderts betrachtet. Im Zentrum steht dabei die Frage, welche Denkweisen und Besitzverhältnisse die Beziehungen von Staat, Unternehmern, Künstlern und der Öffentlichkeit prägten. Die Performer*innen sind entweder nicht weiß oder nicht männlich, stehen damit im Widerspruch zum Menschenbild, das die Geschichtsschreibung der Zeit prägte. Sie sprechen Auszüge aus philosophischen Texten, die sich mit Fragen des guten Geschmacks, dem Wissen um die Kunst oder deren öffentliche Präsentation befassen. Die Entfremdung zwischen Medium und Message wird zum Ziel des Films und prägt seinen Tonfall: analytisch, pädagogisch, politisch wirkungsvoll und, trotz allem, spaßig.

Vika Kirchenbauer ist eine in Berlin lebende Künstlerin, Autorin und Musikproduzentin. Mit besonderem Fokus auf affektive Subjektbildung untersucht sie Gewalt in ihren sichtbaren und unsichtbaren Erscheinungsformen und reflektiert, wie Subjekte in institutionelle Machtstrukturen verwickelt und innerhalb dieser situiert sind. Umfassende Einzelausstellungen ihrer Arbeit wurden im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, sowie im Kunstverein Kevin Space, Wien, präsentiert. Ihre Videos und Installationen waren Teil von Ausstellungen und Screenings u. a. bei d/p, Seoul; im Tainan Art Museum, Taiwan; in der Whitechapel Gallery, London; in der Kunsthal Charlottenborg, Kopenhagen; bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin; beim New York Film Festival und beim Toronto International Film Festival. Ihre erste Monographie, erschienen bei Mousse Publishing, vereint Essays und Arbeiten von 2012 bis 2022. Seit 2022 ist sie Professorin für Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.

Still: Compassion and Inconvenience, 2024 (c) Vika Kirchenbauer, VG Bild-Kunst

THE VAMPIRES OF POVERTY
(AGARRANDO PUEBLO)
R: Luis Ospina, Carlos Mayolo, CO 1978, 28 Min., span. OmeU

„Dieser Film ist Filmkritik in Form eines Films.” So beginnt das Manifest, das die Regisseure Carlos Mayolo und Luis Ospina ihrem Film von 1977 beigefügt haben. In ihrer Mockumentary begleiten sie ein Kamerateam, das für einen deutschen Fernsehsender die „Unterentwicklung“ Kolumbiens einfangen will. Wie Vampire huschen sie durch die Straßen und jagen Personen, um aus ihnen Bilder der Armut zu saugen. Mit eigenwilligem Humor agitiert der Film gegen ein Kino, das unter dem Deckmantel der Sozialkritik Elend ausbeutet, um Mitleid beim Publikum zu generieren und auf internationalen Festivals zu landen. THE VAMPIRES OF POVERTY sollte ein Gegengift sein, das die Zuschauer*innen gegen die vielen Erscheinungsformen des ausbeuterischen Kinos immunisiert.

CASABLANCA

R: Adriano Valerio, FR/IT 2023, 63 Min., arab., ital., franz. OmeU

Fouad und Danielas Wege kreuzen sich, als Fouad schon Jahre ohne Papiere in Italien lebt und erfolglos auf eine medizinische Behandlung wartet. Daniela ist nach langer Zeit endlich vom Alkohol losgekommen. In intensiven und ehrlichen Gesprächen handeln sie ihre Beziehung aus und teilen ihre Unsicherheiten und Ängste miteinander. CASABLANCA erzählt vom Zustand einer Gesellschaft, in der nicht nur die Sucht, sondern auch Klasse, Nationalität und Religion scheinbar unüberwindbare Hürden sind, um gegenseitiges Vertrauen bilden zu können. Zugleich fragt der Film nach den Grenzen der Freiheit – als Individuum und als Teil der Gesellschaft. Zwischen Dunkelheit und Licht, zwischen Nähe und Distanz betrachtet die Kamera die beiden in ihren Umgebungen, während sie lernen, Entscheidungen zu treffen – mit allen Konsequenzen.

Adriano Valerio ist ein italienischer Regisseur mit Wohnsitz in Paris. Sein Kurzfilm 37°4S erhielt eine besondere Erwähnung bei den Filmfestspielen von Cannes (2013) und gewann den David di Donatello (2014). Sein Spielfilmdebüt BANAT – THE JOURNEY feierte Premiere bei der Venice International Critics’ Week (2015) und wurde für den David di Donatello und die Golden Globes nominiert. Sein Kurzfilm MON AMOUR MON AMI wurde in der Orizzonti-Sektion (Venedig) und beim Toronto International Film Festival (2017) gezeigt.
Sein Dokumentarfilm LES AIGLES DE CARTHAGE hatte seine Premiere bei der Venice International Critics’ Week (2020). Der Kurzfilm THE NIGHTWALK gewann den Prix Canal+ in Clermont-Ferrand (2021) und den Publikumspreis bei der Mostra Internazionale del Nuovo Cinema in Pesaro. Sein Kurzfilm CALCUTTA 8:40AM feierte Premiere bei der Festa del Cinema di Roma und gewann den Nastro D’Argento (2023). Sein Dokumentarfilm CASABLANCA wurde bei den Authors’ Days/Venice Nights (2023) und der Berlin Critics’ Week (2025) gezeigt.
Er inszenierte zwei Episoden der TV-Serie NON UCCIDERE (2018), ausgestrahlt von Rai und Arte, und arbeitet mit der École Nationale Supérieure Louis-Lumière, der Scuola Holden und dem Istituto Marangoni zusammen.