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Magazin 2025

Magazin 2025

Editorial

Sagen macht sichtbar; sichtbar und dann? 

Hallo liebe Leser:innen! Das diesjährige Magazin ist aus einer Kooperation entstanden: Das Festivalteam lud die Literaturzeitschrift PS: Anmerkungen zum Literaturbetrieb / Politisch Schreiben ein, Autor:innen anzufragen und die Textauswahl zu kuratieren. Ich, Olivia Golde aus der PS-Redaktion, habe diese Aufgabe umgesetzt. 

Die PS ist eine Zeitschrift und ein Netzwerk. Als Zeitschrift analysiert und kritisiert sie die Strukturen des Literaturbetriebs. Als Netzwerk versucht sie, die Formen des anderen Arbeitens miteinander, nach denen wir uns sehnen, direkt umzusetzen. 

Diese Ausgabe des Magazins kreist um Klasse, soziale Herkunft und Ungleichheit im Kino und in der Filmbranche. Hierfür wollte ich zuerst primär Schriftsteller:innen aus dem Kontext der PS anfragen. Ich wollte wissen: Wie vom Filmschauen erzählen? Welche Bilder und Erzählungen von Klasse bleiben hängen, haben uns geprägt oder fehlen uns noch?

Diesem Versuch widmen sich die Prosaautor:innen Sabine Scholl und Irina Nekrasov/a sowie die Lyrikerin Caca Savić, deren Texte eine Vielfalt an Möglichkeiten aufzeigen, über Film-Erfahrung bzw. mit filmischen Mitteln zu schreiben. 

Im Laufe meiner Recherche zum Thema stieß ich auf den tollen Podcast Ned Wuascht – wir geh’n fisch’n von Bianca J. Rauch und Barbara Wolfram über divers-feministisches Filmlesen. Passenderweise widmet sich die aktuelle Staffel der Darstellung von Arbeit im Film, und mir war direkt klar: die beiden möchte ich für einen Text anfragen! 

Mit dieser Entscheidung verschob sich auch mein Fokus im weiteren Prozess: Ich kontaktierte Lisa Heuschober und Parisa Ghasemi, die beide kuratorisch für kleine, alternative Filmfestivals in Österreich arbeiten. In mir wuchs die Lust auf Texte aus der Praxis; Texte, die vom Versuch berichten, die anderen Formen des Arbeitens, nach denen wir uns sehnen, direkt umzusetzen. Denn auch die Woche der Kritik ist ja ein Knotenpunkt dieses Netzes, das am besten hält, wenn die Seile dazwischen kontinuierlich neu geknüpft werden.

Zusätzlich gab es noch die Möglichkeit, eine Podcast-Doppelfolge in Auftrag zu geben. Dafür wollte ich Menschen anfragen, die gar nicht unbedingt mit Film arbeiten, sondern deren Auseinandersetzung Klasse und Hierarchien zum Fokus hat. Recht schnell dachte ich an das kleine Kollektiv „organizing otherwise“ in Berlin, bestehend im Kern aus Lua Mauff & Kim Sanou und drumherum, je nach Projekt, vielen weiteren Menschen. Die beiden Podcast-Folgen „Klassenfragen in der Filmkultur“ verbinden im Gespräch selbstkritisch und humorvoll persönliche Erfahrungen mit strukturellen Analysen und Forderungen. 

Um den Beitragenden ein Honorar zahlen zu können, hatte das Festivalteam Gelder beantragt und vom Hauptstadt Kultur Fonds und der Rudolf Augstein Stiftung auch bewilligt bekommen. Danke euch für diese Arbeit. Den Autor:innen konnte ich dadurch 175 € für einen kurzen Text (ca. 6.000 Zeichen) und 350 € für einen langen Text (ca. 12.000 Zeichen) anbieten. Circa 50 € pro Seite, das ist doch nicht schlecht, dachte ich zuerst; besser als gar nix − was leider in vielen tollen Literatur- und Theorieprojekten normal ist: es gibt nicht für alles Fördergelder, und auch die müssen eben erst mal von irgendwem beantragt werden, zumeist unbezahlt. Dann merkte eine der angefragten Autor:innen an, dass sie die Arbeit gerne machen würde, aber nicht bei der Bezahlung, das sei zu wenig. Ich habe also recherchiert. Leider gibt der VS (der Schriftsteller:innenverband bei ver.di) nur eine Empfehlung für Lesungshonorare ab, nicht für literarische Auftragstexte. So ähnlich auch in anderen Verbänden – und dann landete ich schnell schon beim Berufsverband für Werbetexter:innen oder Journalist:innen, die zwar Empfehlungen abgeben (90 € pro Stunde bzw. 200 € pro Normseite), aber dann sprechen wir ja nicht mehr von literarischen Essays: Andere Textsorten sind ggf. mit einem viel größeren Rechercheaufwand, einer journalistischen Sorgfaltspflicht verbunden und rechtfertigen darüber ein höheres Honorar.

Immerhin der Berufsverband für Autor:innen der Schweiz (AdS) hat ein schickes Heft herausgebracht, das mehr in die Tiefe geht, viele Auftragsarten aufzählt und dazu Empfehlungen abgibt. Dort wird der literarische Essay von 4000 Zeichen mit „800 F wären angemessen, 600 F sind unerlässlich“ angegeben. Das ist doch nett, auch die Differenzierung. Umgerechnet würde das allerdings ca. 950 € für einen kurzen Text (6000 Zeichen) ergeben. Puh. Und da hatte ich nur mit ‚unerlässlich‘ gerechnet. Selbst wenn ich noch einen Prozentsatz für die Schweiz abziehe, bleibt eine wesentlich höhere Zahl übrig als das, was wir bieten können. Mir ist keine Kulturförderung in Deutschland bekannt, die diese Honorare finanzieren würde. Generell können wir ja gerade überhaupt froh sein, wenn nach den Berliner Haushaltskürzungen für 2025 noch was bleibt. 

Ich erzähle das als ein konkretes Beispiel dafür, wo und wie das oben von mir beschriebene ‚anders Arbeiten‘ häufig an seine Grenzen stößt: im Ökonomischen. Hier steht jeder Knotenpunkt, wenn er allein agiert, machtlos vor den Verhältnissen. Alternative Festivals organisieren, Magazine herausbringen wird vorerst etwas bleiben, das im Spannungsfeld zwischen wollen und können stattfindet. Wir tun im Gegebenen das Schönstmögliche und tragen gleichzeitig ein Erfahrungswissen um die strukturellen Beschränkungen, Lücken und Fehler weiter, sodass mit der Zeit, wann immer sich eine Möglichkeit bietet, eine andere Praxis daraus hervorgehen kann. Und immer: die Forderung nach Verhältnissen, in denen es anders wäre. 

Mit all diesen verschiedenen Ansätzen versteht sich das diesjährige Magazin als eine Art Vorfutter für die Auftaktkonferenz „Zurück zur Klassenfrage – Filmkultur und soziale Ungleichheit“ des Festivals. Zwei Wochen vorher sind wir jetzt online und hoffen, dass die Texte allen Teilnehmenden und auch den Leser:innen von anderswo Anregung sein können. Wir freuen uns sehr über Rückmeldungen! 

Viel Freude beim Lesen & Hören wünscht – trotz und mit allem – Olivia im Namen der PS.
Wien, im Februar 2025

PS: Ein großer Dank geht an die Autorin Anna Kow, die das Magazin für uns korrekturgelesen hat und mir auch in vielen Lektoratsfragen zur Seite stand.