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Konferenz 2025

Konferenz 2025

Eröffnungskonferenz:
Zurück zur Klassenfrage – Filmkultur und soziale Ungleichheit
In der Akademie der Künste Berlin (Pariser Platz), Mittwoch, 12. Februar 2025, 18 Uhr

Der Vorverkauf für die Tickets der Eröffnungskonferenz in der Akademie der Künste (Pariser Platz) findet sich HIER.

Ein Überblick über alle Veranstaltungen des Themenschwerpunkts findet sich HIER.

Die soziale und ökonomische Herkunft bestimmt heute immer noch die gesellschaftlichen Erfolgschancen. Das Kino erzählt davon, doch in der Filmbranche selbst bleiben Diskussionen darüber weitestgehend aus. In Diskussionen, Vorträgen und Texten positionieren sich im Rahmen der Woche der Kritik 2025 lokale und internationale Gäste aus verschiedenen Disziplinen, Nachwuchsautor*innen sowie das Berliner Publikum zu den jüngeren Debatten um soziale Ungleichheit und Klassismus, die zuletzt durch Autor*innen wie Didier Eribon angestoßen wurden.

Ablauf der Eröffnungskonferenz (AdK Berlin, Pariser Platz, 12. Februar 2025, 18 Uhr):

Begrüßung durch Peter Badel (Kameramann, Mitglied der Akademie der Künste)

Keynote Andreas Kemper (Soziologe)

Podium 1: Wie sprechen wir über Klasse? Perspektiven aus Politik, Gesellschaft und Kunst
Gäste: Nuray Demir (Künstlerin/Kuratorin), Katalin Gennburg (Politikerin), Francis Seeck (Vermittler*in/Professor*in/Autor*in). Moderation: Amina Aziz (Journalistin/Redakteurin)

Pause

Lesung von Jovana Reisinger (Autorin/Regisseurin)

Podium 2: Geschlossene Gesellschaft? Klassenverhältnisse in der Filmkultur
Gäste: Christopher Andrews (Regisseur), Heike-Melba Fendel (Autorin/Schauspielagentin), Marco Müller (Festivalleiter/Produzent) und Biene Pilavci (Regisseurin). Moderation: Dennis Vetter (Woche der Kritik)

Empfang

 

„Immer weniger Menschen in unserem Land haben eine wirkliche Chance, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und zu nutzen. […] Nirgendwo schaffen weniger Kinder den sozialen Aufstieg.“
– Marcel Fratzscher, Verteilungskampf – Warum Deutschland immer ungleicher wird (2016)

Selbst Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, nimmt derzeit kein Blatt vor den Mund, wenn er Politiker*innen hierzulande mangelndes Klassenbewusstsein attestiert. Denn die aktuellen Entwicklungen in Deutschland sprechen wie in vielen weiteren Ländern eine deutliche Sprache: Die Widersprüche des kapitalistischen Systems spitzen sich zu, soziale Gegensätze verschärfen sich und doch fehlt in Parteien und Institutionen eine Auseinandersetzung mit Klassenverhältnissen. Dies hat fatale Folgen: Es profitieren von dieser Entwicklung derzeit rechte Parteien und Bewegungen, denen es gelingt, den Frust vieler sozial Benachteiligter für sich zu nutzen – etwa wenn in Deutschland die AfD behauptet, sich im Namen des Volkes gegen Eliten zu richten und zugleich Maßnahmen vorantreibt, die die soziale Ungleichheit noch verschärfen würden. Der Erfolg dieser Bewegungen hat zu einem generellen Rechtsruck der öffentlichen Debatte geführt, in der klassenbasierte Ungleichheit nicht mit anderen Formen der Unterdrückung zusammengedacht, sondern gegen sie ausgespielt wird, etwa in der Verknüpfung der sozialen mit der Migrationsfrage.

Während die Politik die Frage der sozialen Gerechtigkeit der Rechten überlässt, erhielt die Klassenfrage in der Literatur zuletzt große Aufmerksamkeit – durch weitreichend diskutierte Veröffentlichungen kritischer Autor*innen wie Didier Eribon (Rückkehr nach Reims), Édouard Louis (Anleitung ein anderer zu werden) und Annie Ernaux (Die Jahre), oder in Deutschland durch Daniela Dröscher (Zeige deine Klasse), Christian Baron (Ein Mann seiner Klasse) oder Marlen Hobrack (Klassenbeste). Sie politisieren in ihren autobiografischen Büchern die eigene Sozialisation, erzählen von ihrem Klassenaufstieg oder -überlauf, von Veränderungen ihrer Lebensrealität und ihrer Selbstwahrnehmung. Dabei betrachten sie auch ausdrücklich ihr Umfeld im Kunst- und Kulturbereich, verhandeln die Bedeutung von Geschmack und Distinktionsformen sowie klassenbezogenen Weltbildern und Weltanschauungen, und denken über Zugehörigkeitsschranken der Mittelklasse und Initiationsrituale der Hochkultur nach. In diesen Texten erscheint die Kunst häufig als Währung des sozialen Aufstiegs. Auch die Beschäftigung mit Film und der Filmkultur ist heute vielerorts ein Ausdruck von Klassenprivilegien und kann zu deren Festigung dienen – obwohl das Kino kontinuierlich Bilder und Erzählungen über soziale Ungleichheit produziert und Regisseur*innen wie Ruben Östlund, Andrea Arnold, Sean Baker oder Bong Joon-ho damit Erfolge auf den großen Festivals feiern.

Die fehlende Auseinandersetzung mit der Klassenfrage in der Politik sowie die wachsende Forderung nach einer Sensibilität für Klassenunterschiede in der Literatur und Kunst – für die Woche der Kritik 2025 greifen wir kurz vor der Neuwahl des Bundestages diese beiden miteinander zusammenhängenden Entwicklungen auf. Im Rahmen unseres Themenschwerpunkts Zurück zur Klassenfrage – Filmkultur und soziale Ungleichheit wollen wir das Schweigen zur Klassenfrage in der Filmbranche brechen und die langsam wieder aufflammenden Debatten zu Klassenverhältnissen zum größten Filmfestival des Landes bringen. Wir suchen in der Diskussion mit Kolleg*innen nach blinden Flecken, Klassenscham, Statuspolitik und Möglichkeitsräumen – immer im Verhältnis zum Kino als sozialem Raum, dem das Potenzial innewohnt, Klassengrenzen durch gemeinsame und anonyme Filmerfahrungen zu überwinden. Der diesjährige Themenschwerpunkt der Woche der Kritik entsteht in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Copyright zum Konferenzmotiv: Videostill aus Compassion and Inconvenience, 2024 (c) Vika Kirchenbauer, VG Bild-Kunst

Die Woche der Kritik ist eine Veranstaltung des Verbands der deutschen Filmkritik, gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds und die Rudolf Augstein Stiftung. Die Auftaktkonferenz findet in Kooperation mit der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste statt. Der diesjährige Themenschwerpunkt entstand in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.