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Horny & Broke

Horny & Broke

Horny & Broke

von Barbara Eder

„Wir wollten nur Musik machen. Jetzt wollen wir, dass ihr uns zuhört.“ Frontman Faris schreit ins Mikrofon, das manchmal eine Haarbürste ist, die Füße auf den knarzenden Brettern eines Untergrundclubs in Kuala Lumpur. Das Publikum rockt mit. Für ein paar Minuten existiert die Welt außerhalb dieser Wände nicht, für queere Menschen ist sie eine lebensbedrohliche Zumutung: In Malaysia sind gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen per Dekret verboten, die Strafen reichen von mehrjähriger Haft bis hin zur öffentlichen Auspeitschung. Niemand schützt die LGBTQ+- Community vor Diskriminierung oder Hassverbrechen, offiziell kommt sie nirgendwo vor. Inoffiziell wappnen sich ihre Mitglieder jedoch schon seit längerem mit anwältlicher Unterstützung gegen die queerfeindliche Gesetzgebung, im Geheimen verpartnern sie sich und halten Commitment Ceremonies ab.

Mit dem für den diesjährigen Teddy Award nominierten Dokumentarfilm Queer as Punk hat die Regisseurin Yihwen Chen der fehlenden, weil staatlich unterdrückten Repräsentation von Queers in Südostasien den Kampf angesagt und die Musiker:innen der Band Shh…Diam! – zu Deutsch: „Pssst… Sei still!“ – sieben Jahre lang on- und offstage begleitet. Im Zentrum steht Transmann Faris, der sich in einem Land, das ihn zum Schweigen bringen will, immer wieder öffentlich äußert. Er singt gegen ein System, das queere Menschen unsichtbar machen will. Und gegen eine Regierung, die sich religiöse Moralvorstellungen auf die Fahnen schreibt und im Hinterzimmer Erdölreserven großzügig verdealt.

Queer as Punk ist eine Geschichte von Rebellion, Prekarität und Überlebenskunst. Faris, der als Journalist arbeitete, wird gleich zu Beginn des Films gekündigt. Er zählt sich dennoch zu jenen lucky ones, die nichts zu verlieren haben. Mit Gitarrist Afi und Drummer:in Yon befindet er sich vor Ort in bester Gesellschaft, nur Bassistin Yoyo kann sich die Flucht ins Ausland leisten. Während die einen das Land verlassen, bleiben die anderen in ihren winzigen Apartments zurück, mit Ausblick auf Stacheldrahtzäune und CCTV-Überwachungskameras. „I live my life“, sagt Faris unverzagt – und bekommt am Ende die benötigte Brust-OP. Eine staatliche Gesundheitsversorgung für Transpersonen gibt es in Malaysien nicht, der medizinische Eingriff muss deshalb in einer privaten Schönheitsklinik durchgeführt werden. Die Drainagen noch in der Hand, machen sich Faris und seine Freundin gleich danach auf den Weg ins Freie.

Chen fängt diese Härte ein, wird dabei aber nie voyeuristisch. Die Kamera bleibt nah an den Worten und Körpern – zerkratzt, tätowiert oder in Drag, mal auf der Bühne, mal in den dunklen Winkeln eines Backstage-Zimmers, wo Küsse schneller sind als das Gesetz. Wer glaubt, Queercore sei nur Musik, versteht nicht, dass es hier ums Überleben geht. „My father was a lesbian“, singt Faris an einer Stelle und lacht laut. Es ist eine Hymne an alle, die sich nicht beugen und verbiegen lassen. Und eine schallende Ohrfeige für jene, die es längst getan haben.