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Special Screenings und Wiederholungen

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Special Screenings und Wiederholungen

Special Screenings und Wiederholungen

Woche der Kritik 2023 – Special Screenings und Wiederholungen

Erstmals präsentieren wir im Rahmen der Woche der Kritik 2023 eine Reihe von Filmvorführungen als Special Screenings, die die offizielle Filmauswahl und unsere Debatten begleiten werden. Die Programme ermöglichen thematische Vertiefungen und unterstreichen die diesjährige Öffnung der kuratorischen Arbeit bei der Woche der Kritik für historische Werke. Vom 24. bis 26. Februar werden zudem die offiziellen Programme der Woche der Kritik als Wiederholungen zu sehen sein. Bis auf die Wiederholungen stehen alle unsere Filmprogramme Akkreditierten der Berlinale offen.

Jeder schreibt für sich allein: Der Autor Anatol Regnier hat 2022 ein Buch veröffentlicht, das das Leben und Wirken von Schriftsteller*innen in Nazideutschland betrachtet. In Zusammenarbeit mit Regnier adaptierte Dominik Graf gemeinsam mit Constantin Lieb (Autor) und Felix von Boehm (Produktion) das gleichnamige Buch und übersetzte es in einen knapp dreistündigen, vielstimmigen Essayfilm, der sich akribisch mit den widersprüchlichen Biografien von Hans Fallada, Gottfried Benn, Erich Kästner, Ina Seidel und Will Vesper auseinandersetzt. Was hielt kritische Autor*innen wie Kästner, dessen Bücher in Flammen aufgingen, davon ab, nach der Machtübernahme Hitlers zu emigrieren? Welche heute anerkannten Künstler*innen sympathisierten damals mit den Nazis? Welche inneren und äußeren Widersprüche provozierte das Leben und Arbeiten unter dem Regime – auch für Institutionen wie die Akademie der Künste? Anhand von Interviews (u. a. mit dem Autor, Redakteur und Herausgeber Florian Illies, der Kunstkritikerin und -historikerin Julia Voss und dem Filmproduzent Günter Rohrbach) und bis in die Gegenwart hinein diskutiert der Film die Frage nach dem Vertrauen in die Kunst und in Künstler*innen – sowie in letzter Konsequenz das komplexe Verhältnis zwischen ästhetischen Positionen und politischem Handeln.

Masao Adachis Film AKA Serial Killer aus dem Jahr 1969 ist eine filmische Spurensuche in den Orten des Lebens von Norio Nagayama, der im Herbst 1968 als Neunzehnjähriger vier Menschen in verschiedenen japanischen Städten mit einer Waffe ermordete, die er zuvor aus einer US-Militärbasis gestohlenen hatte. Masao Adachi war zu dem Zeitpunkt neben eigenen Projekten besonders durch die Zusammenarbeit mit Nagisa Ōshima und Kōji Wakamatsu in Erscheinung getreten. Nun adaptierte er ausgehend von Nagayamas Biografie unter dem japanischen Begriff „fūkeiron“ zusammen mit Kulturtheoretiker Masao Matsuda und Drehbuchautor Mamoru Sasaki die Landschaftstheorie für das Kino: Diese fragt aus marxistischer Perspektive nach den Auswirkungen von (urbaner) Landschaft auf das Individuum. Sie nimmt in den Blick, wie sich in Orten und in den Menschen, die sie bewohnen, Herrschaftsverhältnisse konkret manifestieren – und wie sie über eine Kamera entlarvt werden können. In Kollaboration mit weiteren Künstlern begreifen Adachi, Matsuda und Sasaki die Taten Nagayamas im Film dezidiert politisch und interpretieren sie als Folge von sozialer Unterdrückung in Japan. Zu den intensiven Klängen eines Free-Jazz-Scores zeichnen sie die Wege eines jungen Menschen nach, dessen Antwort auf die tiefgreifenden kapitalistischen Transformationen Gewalt war: Sie sparen die Darstellung seiner Taten aber bewusst aus und fokussieren sich stattdessen auf das Gewaltvolle der Landschaft selbst. 

Die beiden Filme vertiefen anknüpfend an unser Filmprogramm Reaction Shot eine weiter gefasste Debatte über die Möglichkeiten der Kunst, auf politische Entwicklungen sowie gesellschaftliche Vorfälle unmittelbar mit ästhetischen Mitteln zu reagieren.

Anknüpfend an den Abschlussabend der Woche der Kritik unter dem Titel Softly Surreal über Widerständigkeit und Zärtlichkeit in der Filmästhetik diskutiert wird, zeigen wir in einer Matinee am Sonntag, den 26. Februar die beiden Filme Weak Rangers und Saturdays Disorders von Lucía Seles. Diese hat Seles als Fortsetzungen ihres Ensemblefilms Smog in Your Heart angelegt, der am 23. Februar bei der Woche der Kritik zu sehen sein wird. Im Zentrum der drei Filme stehen Irrungen und Wirrungen um einen nur scheinbar unauffälligen Tennisplatz und dessen Betreiber*innen, erzählt in einer wagemutigen Filmform. Seles denkt mit radikalen Montageentscheidungen das Genre der absurden Komödie von Grund auf neu. 

Kooperationsprogramm: Artistic Differences – Ghosts of a Damned Earth

Basierend auf einer Initiative der Festivalmacherin Cíntia Gil kooperieren wir dieses Jahr erstmals mit dem UnionDocs Center for Documentary Art. In der Programmreihe Artistic Differences finden seit Juli 2022 und in Zusammenarbeit mit internationalen Filmfestivals wie dem Open City Documentary Festival, FICValdivia, oder dem Taiwan International Documentary Film Festival regelmäßig internationale Debatten und Filmvorführungen statt. Im Zentrum der Film- und Diskussionsreihe steht die Auseinandersetzung mit herausfordernden Filmen und Künstler*innen, die sich Perspektiven der kollektiven Weiterentwicklung und Formen des Miteinanders widmen. Im Rahmen von Artistic Differences haben Cíntia Gil und Victor Guimarães (Filmkritiker und Mitglied der diesjährigen WdK- Auswahlkommission) ein Programm mit vier Filmen kuratiert, das bei der Woche der Kritik zu sehen sein wird und simplen Ideen von Zeitgeschichte zuwiderläuft: Ghosts of a Damned Earth.

Lavra Dor (1968) zeigt brasilianische Plantagenarbeiter*innen kurz vor einer Agrarreform und dem Militärputsch von 1964. Paulo Rufino und Ana Carolina ließen zu den Worten des Dichters Mário Chamie das Kino zum Werkzeug der Kritik werden und stellten mit dem Film die politischen Verhältnisse ihrer Zeit infrage. Heute fordert der Film unsere Haltung zur Geschichte heraus. In O Tigre e a Gazela (1977) lässt Aloysio Raulino im Direct-Cinema-Stil Texte von Frantz Fanon auf Bilder von betrunkenen, wohnungslosen und träumenden Menschen treffen, bis sich aus Gesichtern, Gesten, Körpern und Bewegungen Fragen nach Ungleichheit und gesellschaftlichem Fortschritt herausschälen. Rodrigo Ribeiro-Andrade wagt sich mit The White Death of the Black Wizard (2020) an eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Geschichte der Sklaverei in Brasilien und findet dabei durch Stilmittel des Horrorfilms zu einer nachdrücklichen Essay-Form. Der vierte Film des Programms wird in Kürze angekündigt.


Wiederholungsvorstellungen der Woche der Kritik

Vom 24. bis 26. Februar werden zahlreiche Filme und Programme der Woche der Kritik nochmals als Wiederholungsvorstellungen zu sehen sein. Die Wiederholungen finden ohne Gäste und Diskussionen mit deutlich eingeschränkter Sitzplatzzahl statt. Berlinale-Akkreditierungen haben an den Terminen keine Gültigkeit. Der kostenlose Zugang für Branchenvertreter*innen ist nach Absprache möglich. 


Alle Special Screenings im Überblick


FR 17 Feb
17:00
ARTISTIC DIFFERENCES: GHOSTS OF A DAMNED EARTH 

LAVRA DOR
R: Ana Carolina, Paulo Rufino, BR 1968, 10 Min.

O TIGRE E A GAZELA
R: Aloysio Raulino, BR 1977, 14 Min.

WHITE DEATH OF THE BLACK WIZARD
R: Rodrigo Ribeiro-Andrade, BR 2020, 11 Min.

SA 18 Feb
16:00

MELTING INK (JEDER SCHREIBT FÜR SICH ALLEIN)
R: Dominik Graf, DE/FR 2023, 167 Min. – Weltpremiere

DO 21 Feb
17:30

AKA SERIAL KILLER
R: Masao Adachi, JP 1969, 86 Min.

SO 26 Feb
10:30

SATURDAYS DISORDERS
R: Lucía Seles, AR 2022, 97 Min. – Internationale Premiere

SO 26 Feb
12:45

WEAK RANGERS
R: Lucía Seles, AR 2022, 126 Min. – Internationale Premiere

Alle Wiederholungen im Überblick

FR 24 Feb
18:00

THE FILM TO COME (LE FILM À VENIR)
R: Raúl Ruiz, FR/CH 1987, 8 Min. 

MOON NIGHT
R: Manaka Nagai, DE 2022, 15 Min.  

SMOG IN YOUR HEART (SMOG EN TU CORAZÓN)
R: Lucía Seles, AR 2022, 112 Min. 

FR 24 Feb
20:30

SHIN ULTRAMAN
R: Shinji Higuchi, JP 2022, 113 Min. 

SERRÃO
R: Marcelo Lin, BR 2021, 18 Min. 

SA 25 Feb
18:00

¿DÓNDE ESTÁ MARIE ANNE?
R: Yaela Gottlieb, AR/PE 2022, 6 Min. 

DE NOCHE LOS GATOS SON PARDOS
R: Valentin Merz, CH 2022, 110 Min. 

LUST (EIN PERFEKTES PAAR ODER DIE UNZUCHT WECHSELT IHRE HAUT)
R: Valie Export, AT/DE 1986, 12 Min.

SA 25 Feb
20:30

CAFÉ FLESH
R: Stephen Sayadian, US 1982, 73 Min.

MISSION TO MARS (MISIÓN A MARTE)
R: Amat Vallmajor del Pozo, ES 2022, 71 Min.

THE FIFTH THORACIC VERTEBRA (DASEOS BEONJJAE HYUNGCHU)
R: Syeyoung Park, KR 2022, 65 Min. 

SO 26 Feb
18:00

MAPUTO NAKUZANDZA
R: Ariadine Zampaulo, BR/MZ 2022, 60 Min. 

SUCH A LONG MARCH (UNE SI LONGUE MARCHE)
R: Dominique Loreau, BE 2022, 62 Min. 

SO 26 Feb
20:30

SOLMATALUA
R: Rodrigo Ribeiro-Andrade, BR 2022, 15 Min. 

STILL FREE
R: Vadim Kostrov, RU 2023, 31 Min.

REVOLUTION+1
R: Masao Adachi, JP 2022, 80 Min.

 

Bild: ©Lupa FIlm, Markus Schindler