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Das Filmprogramm der Woche der Kritik 2020

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Das Filmprogramm der Woche der Kritik 2020

Das Filmprogramm der Woche der Kritik 2020

Was nächtliche Fantasmen und afroamerikanische Vergangenheitsbilder mit Eleganz zu tun haben. Wie sich ein lokaler Kampf gegen alle Widerstände zu flüchtigen Jugendmomenten verhält. Und dann brechen die Distanzen: Eine Technosekte begegnet zerlegten Erfahrungen aus Bielefeld. Das Filmprogramm der 6. Woche der Kritik ist vollständig.

Kann Eleganz als politischer Begriff funktionieren? „Los Fantasmas“, das Regiedebüt von Sebastián Lojo, ist ein Film wie aus einem Guss, in dem ein junger Mann durch die Nächte von Guatemala-Stadt streift, mal für Geld mit Männern schläft, mal Touristen verführt. Seine Erlebnisse, die Lojo in ein elegant choreografiertes Milieudrama übersetzt, treffen in einem gemeinsamen Programmabend auf die freien Bildassoziationen von Garrett Bradleys „America“. Eine kurze Arbeit, die die Filmgeschichte zum Filter der Gegenwartsbetrachtung und -deutung macht. Die Regisseurin arbeitet Fragmente von Bert Williams’ 2014 wiederentdecktem „Lime Kiln Club Field Day“ (1913) auf und kombiniert sie mit emanzipatorischen Re-Enactments zu Schlüsselmomenten der afroamerikanischen Vergangenheit. Unter dem Stichwort Anmut Irreal wollen wir nach den Filmen herausfinden, was Stilsicherheit mit Wissen zu tun hat und Wissen mit gelebter Erfahrung. Wir diskutieren das anmutige und schöne Kino, das sich an der Realität nicht messen muss und doch ohne eine bewusste Verbindung zur Welt nicht glänzen kann.

My Punch-Drunk Boxer“ ist Jung Hyuk-kis erster Langfilm, er setzt darin heiter auf den klassischen Kampf gegen alle Widrigkeiten und verknüpft ihn mit einer pulsierenden Erzählung von der global abgehängten Provinz. „The most Korean is the most universal“, zitiert der Protagonist: ein Film, der sich mit der globalen Sichtbarwerdung des koreanischen Kinos ebenso ungezwungen beschäftigt wie mit der Suche nach einem persönlichen Stil und Rhythmus des Filmemachens. Den Abend eröffnet „Dogs Barking at Birds“ von Leonor Teles. Gentrifizierung geistert durch die Dialoge dieses Kurzfilms, Angst und Tradition gesellen sich dazu. Der Jugend gehört darin nur der Augenblick – ebenso wie den Menschen auf der Bühne im Nachgang der Projektion: An dem Abend reagieren erneut zwei Kritiker*innen auf die Filme, eine Fragestellung lassen wir weg. Wir bitten nur um Widerspruch.

Valentina Pedicini hat schon vor dem Dreh von „Faith“ über Jahre hinweg die Reihen einer italienischen Sekte betreten und verfolgt, was sich dort abspielt. Kung Fu. Techno. Diskutieren. Disziplin. Kinder werden zu Soldaten. Das Ergebnis ist ein stilisierter Dokumentarfilm vom Glauben an ein Kino, in dem sich Menschen selbst verwirklichen. Die Sekte hadert mit ihrem Übervater, die Regisseurin sucht nach dem Wahrhaftigen und Mythischen. Der Film trifft unter dem Stichwort Distanzen brechen auf eine kurze Arbeit von Luise Donschen, gefilmt von Helena Wittmann: Bei „Ganze Tage zusammen“ ist der Titel ganz wörtlich zu verstehen. Erfahrung wird zusammengesetzt, ein Sommer entsteht, eine Gemeinschaft von Jugendlichen wird porträtiert. Das Zerlegen erscheint als Akt dokumentarischer Erfindung. Gemeinsam mit den Filmen nähern wir uns Fragen zu dokumentarischen Haltungen, überraschender Intimität und dem filmischen Erschaffen von Weltentwürfen.

Mitglieder des Programmteams

Die Woche der Kritik verfolgt bei der Besetzung der Auswahlkommission das Prinzip eines rotierenden Programmteams. Neben den Gründungsmitgliedern Dunja Bialas, Frédéric Jaeger und Dennis Vetter waren dieses Jahr Devika Girish und Daniela Persico an der Filmauswahl beteiligt. Das Programm der Woche der Kritik basiert nicht auf Einreichungen, sondern wird vom Team aktiv recherchiert.

Devika Girish
Devika Girish arbeitet als Filmkritikerin und Redaktionsassistentin des Magazins Film Comment in New York. Ihre Texte erscheinen unter anderem in The New York Times, bei BFI, The Village Voice, Reverse Shot und MUBI Notebook. Devika wuchs in Indien auf und studierte Film und Semiotik in den USA an der Brown University sowie Specialized Arts Journalism an der University of Southern California. Sie war 2017 Teilnehmerin der New York Film Festival Critics’ Academy und 2019 bei der Berlinale Talent Press.

Daniela Persico
Filmkritikerin und Kuratorin aus Mailand. Seit 2012 kuratiert sie L’immagine e la parola, den Frühlings-Ableger des Filmfestivals Locarno, und ist seit 2019 Mitglied der dortigen Auswahlkommission. Sie ist Gründerin und Chefredakteurin der Online-Quartalsschrift Filmidee und leitet die Filmidee Summer School auf Sardinien. Darüber hinaus ist sie Mitglied der Auswahlkommission des IsReal Festivals in Nuoro.

Die 6. Woche der Kritik findet vom 19. bis 27. Februar 2020 statt. Das Filmprogramm startet am Donnerstag, 20. Februar im Hackesche Höfe Kino.

Alle Filme der Woche der Kritik 2020 im Überblick
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AMERICA
Regie: Garrett Bradley, US 2019, 29 Min. – Deutschlandpremiere

[BORDEAUX], MA BILE
Regie: Oliver Bassemir, DE/FR 2019, 10 Min. – Weltpremiere

COMMON BIRDS
Regie: Silvia Maglioni, Graeme Thomson, FR/GR 2019, 84 Min. – Deutschlandpremiere

DOGS BARKING AT BIRDS (CÃES QUE LADRAM AOS PÁSSAROS)
Regie: Leonor Teles, PT 2019, 20 Min. – Deutschlandpremiere

ENTIRE DAYS TOGETHER (GANZE TAGE ZUSAMMEN)
Regie: Luise Donschen, DE 2019, 23 Min. – Deutschlandpremiere

FAITH
Regie: Valentina Pedicini, IT 2019, 94 Min. – Deutschlandpremiere

FOR THE TIME BEING (TAL DÍA HIZO UN AÑO)
Regie: Salka Tiziana, DE/ES/CH 2020, 71 Min.

IVANA THE TERRIBLE (IVANA CEA GROAZNICA)
Regie: Ivana Mladenović, RO/SRB 2019, 86 Min. – Deutschlandpremiere

LOS FANTASMAS
Regie: Sebastián Lojo, GT/AR 2020, 75 Min. – Deutschlandpremiere

THE LOST OKOROSHI
Regie: Abba Makama, NG 2019, 92 Min. – Deutschlandpremiere

MALEMBE
Regie: Luis Arnías, VE/US 2020, 12 Min. – Weltpremiere

MY PUNCH-DRUNK BOXER (PANSORI BOXER)
Regie: Jung Hyuk-ki, KOR 2019, 115 Min. – Internationale Premiere

SEVEN YEARS IN MAY (SETE ANOS EM MAIO)
Regie: Affonso Uchôa, BR/AR 2019, 42 Min. – Deutschlandpremiere