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Das Filmprogramm der Woche der Kritik 2024

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Das Filmprogramm der Woche der Kritik 2024

Das Filmprogramm der Woche der Kritik 2024

Experimente aus Indien verstricken sich mit träumerischen Dreiecksbeziehungen. Weibliche Wut erklingt im Duett mit Machosprüchen karrieregeiler Geschäftsmänner. Gebäude und politische Systeme kollabieren, bevor im Polizeirevier das Tor zum Jenseits aufspringt. Kleine Affen treffen auf einen Riesenfisch und ein Pferdemädchen, um mit vereinten Kräften die Welt nachzuahmen. Das aktivistische Kino ist zu Gast und zeigt sich angesichts globaler Krisen vielstimmig und eloquent. Das Filmprogramm der 10. Woche der Kritik steht fest.   

Der erste Filmabend der Woche der Kritik 2024 widmet sich am 15. Februar unter dem Titel Phantom Thread der poetischen und metaphorischen Seite des Kinos sowie der filmischen Obsession mit Stoffen. Der Autor und Regisseur Amit Dutta zählt zu den profiliertesten Stimmen des internationalen Experimentalfilms und ist für seine komplexen Auseinandersetzungen mit der Kunst- und Kulturgeschichte Indiens ebenso bekannt wie für den besonderen Symbolismus seiner Bilder. In seinem neuen Film Mother, Who Will Weave Now? verwebt er Stickereien aus einem Museumsarchiv mit der mystischen Poesie des Heiligen Kabir aus dem 15. Jahrhundert. Sein Film trifft auf den zweiten Langfilm des Produzenten, Verleihers und Regisseurs Graham Swon (The World Is Full of Secrets), der in den letzten Jahren unter anderem Filme von Ricky D’Ambrose und Matías Piñeiro ermöglichte. In An Evening Song (For Three Voices) erzählt er von der Dreiecksbeziehung zwischen zwei Schriftsteller*innen (Hannah Gross und Peter Vack) und deren Haushälterin (Deragh Campbell). Wie mühelos zerfließen historische Stilformen, filmische Bezüge und Figurenperspektiven zu einem impressionistischen Traum in Bilderform.

Chloé Galibert-Laîné ist in ihrem neuen Video-Essay ziemlich wütend – oder wäre es gerne: Mit I Would Like to Rage kommentiert sie scharf und gleichermaßen ironisch die Art und Weise, wie der Ausdruck von Wut privat und öffentlich häufig stigmatisiert wird, insbesondere im Fall wütender Frauen. Als Bezugspunkte dienen ihr die Popkultur und das Internet, die für das Ausleben von Wut immer wieder neue Bilder und doch keine Auswege schaffen. Auf der Suche nach einer Lösung wagt sie schließlich den Selbstversuch. Unter dem Programmtitel Sound and Fury trifft ihr Film auf einen zweiten, dessen Titel ebenfalls Programm ist – Dicks: The Musical. Basierend auf ihrem Off-Broadway Kulterfolg Fucking Identical Twins wirbeln die Komiker Josh Sharp und Aaron Jackson mit Unterstützung der US-Produktionsfirma A24 derzeit durch internationale Kinos und Streaming-Plattformen – beflügelt durch Melodien und Melodram, schwule Spitzen, zotige Pointen im Minutentakt und gigantische Ergüsse von Nonsens. Regie führte mit Larry Charles (Brüno, Borat, Religulous) einer der anarchischsten US-Regisseure des Gegenwartskinos, der auch über seine wiederholte Zusammenarbeit mit Sacha Baron Cohen hinaus für sarkastische Positionen und steile Thesen zu Religion und Gesellschaft steht.

In unserem Programm City Lights treffen urbane auf filmische Formen: Zunächst kollabiert ein Gebäude, das irgendeines sein könnte, aber ein besonderes war. Narcisa Hirsch filmte 1991 für ihren Film Warnes in Zeitlupe, wie das größte Kinderkrankenhaus Argentiniens durch die Regierung von Carlos Menem gesprengt wurde. Das Gebäude war von Eva Perón 40 Jahre zuvor eingefordert, aber nie fertiggestellt worden und blieb lange ein Politikum. Zahlreiche Bewohner*innen, die dort seit Jahrzehnten wohnten, wurden verdrängt. Heutige soziale Realitäten von Buenos Aires prägen hingegen Hidden City von Francisco Bouzas, der nach dem Spitznamen des dortigen Elendsviertels Villa 15 benannt ist. In seinem punkigen, tragikomischen DIY-Bandenfilm legt sich eine queere Bande von Karnevalsmusikant*innen nur zu gerne mit der Polizei an. Als ein Mitglied ihrer Clique stirbt, kommt ihnen ein weiteres Mal die Justiz in die Quere, denn dummerweise befindet sich das Tor ins Jenseits und zur Verabschiedung von dem Verstorbenen mitten im Polizeirevier.

Drei Filme zeigen am 17. Februar unter dem Titel Imitation of Life Weltentwürfe, die der Realität nicht ganz unähnlich sind, jedoch viel besser: In Slow Shift lässt Shambhavi Kaul mit Feinheit und Raffinesse das Mienenspiel von Languren auf Steine und Felsen mit besonderen Charakterzügen treffen – ihr experimenteller Umgang mit dokumentarischen Aufnahmen transformiert die mittelalterliche Stadt Hampi in Südindien ganz unmerklich vom Weltkulturerbe zum völlig unberechenbaren filmischen Raum der Neuentdeckung. In Camping du Lac von Éléonore Saintagnan wird nicht nur das Kino eine Glaubensfrage: An einem See in der französischen Provinz ist die Legende von St. Corentin und seinem heiligen Fisch noch heute lebendig und trägt kuriose Blüten, als eine junge Frau (die Regisseurin gibt selbst die Hauptrolle) sich das eigenbrötlerische Leben der umliegenden Camper*innen ganz genau zu Gemüte führt. Gemeinsam mit einer Gruppe von Laiendarsteller*innen gelingt ihr ein virtuoses Spiel mit Spannung, Entspannung, Genre und Utopie. Natalia del Mar Kašik bringt die Mittel des Filmemachens schließlich besonders präzise auf den Punkt und lässt in Horse Girl eine Frau für vier Minuten ein Pferd verkörpern.

Bei der Woche der Kritik 2024 arbeiten wir erneut mit einem Gastkurator zusammen. Der Kunsthistoriker und Kulturkritiker T. J. Demos wird als diesjähriger Mitkurator unserer Konferenz in Berlin zu Gast sein. Mit seinem Filmprogramm Elemental Bodies: Ecologies, Media, Extraction präsentiert er ein breites Repertoire von Essayfilmen, die sich mit den Zusammenhängen von Ökologie, Kapitalismus, Technologie und Bilderzeugung befassen. Renee Hendrix, Tobias Dekker und Marlene Fischer vergleichen in The Ecology of Science Fiction Zukunftsbilder des Kinos mit PR-Videos von Elon Musk und Co., während sich Daniel Felstead und Jenn Leung in Literally No Place fragen, wie künstliche Intelligenzen heutige Weltuntergangsrhetorik, Fortschrittsglauben und Spiritualität beeinflussen. In Serpent Rain von Arjuna Neuman und Denise Ferreira da Silva sowie Message of the Forest des Kollektivs The Otolith Group stehen politische Betrachtungsweisen von Naturbildern im Zentrum, während die Videoarbeit Crossings von Angela Melitopoulos Arbeitsverhältnisse, Migrationskrisen und die heutige griechische Verschuldung ins Verhältnis zum Demokratieverständnis der Antike setzt.

Die Woche der Kritik 2024 findet vom 14. bis 22. Februar 2024 statt. Das Filmprogramm beginnt am Donnerstag, den 15. Februar im Hackesche Höfe Kino.

Alle Filmprogramme der Woche der Kritik 2024 im Überblick

DO 15. Feb.
20:00 Uhr
PHANTOM THREAD

MOTHER, WHO WILL WEAVE NOW?
R: Amit Dutta, IN 2022, 25 Min. – Deutschlandpremiere

AN EVENING SONG (FOR THREE VOICES)
R: Graham Swon, US 2023, 86 Min. – Deutschlandpremiere

FR 16. Feb.
20:00 Uhr
ELEMENTAL BODIES: ECOLOGIES, MEDIA, EXTRACTION
Gastprogramm kuratiert von T. J. Demos

THE ECOLOGY OF SCIENCE FICTION
R: Renee Hendrix, Tobias Dekker, Marlene Fischer, 11 Min. – Deutschlandpremiere

LITERALLY NO PLACE
R: Daniel Felstead, Jenn Leung, 2023, 18 Min.

SERPENT RAIN
R: Arjuna Neuman, Denise Ferreira da Silva, NO 2016, 30 Min.

MESSAGE OF THE FOREST
R: The Otolith Group, GB 2019, 4 Min.

CROSSINGS
R: Angela Melitopoulos, DE 2017, 20 Min. (Auszug)

SA 17. Feb.
20:00 Uhr
IMITATION OF LIFE

SLOW SHIFT
R: Shambhavi Kaul, IN/US 2023, 9 Min. – Europapremiere

CAMPING DU LAC
R: Éléonore Saintagnan, BE/FR 2023, 69 Min. 

HORSE GIRL
Natalia del Mar Kašik, AT 2023, 4 Min. – Weltpremiere

SO 18. Feb.
20:00 Uhr
SOUND AND FURY

I WOULD LIKE TO RAGE
R: Chloé Galibert-Laîné, FR 2023, 11 Min. – Deutschlandpremiere

DICKS: THE MUSICAL
R: Larry Charles, US 2023, 86 Min. – Deutschlandpremiere

MO 19. Feb
20:00 Uhr
HANGOVER

DREAMS ABOUT PUTIN
R: Nastia Korkia, Vlad Fishez, BE/HU/PT 2023, 30 Min. – Deutschlandpremiere

TEDIOUS DAYS AND NIGHTS
R: Zhenming Guo, CN 2023, 110 Min. – Europapremiere

DI 20. Feb.
20:00 Uhr
CARNIVAL OF SOULS

ABENDLAND
R: Omer Fast, DE 2024, 115 Min. – Weltpremiere

NOTES FROM GOG MAGOG
R: Riar Rizaldi, ID 2023, 19 Min. – Deutschlandpremiere

MI 21. Feb.
20:00 Uhr
CITY LIGHTS

WARNES
R: Narcisa Hirsch, AR 1991, 3 Min.

HIDDEN CITY
R: Francisco Bouzas, AR 2024, 95 Min. – Weltpremiere

DO 22. Feb.
20:00 Uhr
HARD, FAST AND BEAUTIFUL

PISTOLERAS
R: Natalia del Mar Kašik, AT 2023, 2 Min. – Deutschlandpremiere

NOCTURNE FOR A FOREST
R: Catarina Vasconcelos, PT 2023, 16 Min. – Deutschlandpremiere

WIKIRIDERS
R: Clara Winter, Miiel Ferráez, MX/DE 2024, 60 Min. – Weltpremiere

Mehr Information zur ERÖFFNUNGSKONFERENZ in der Akademie der Künste (Pariser Platz 4) am 14. Februar gibt es hier.

Karten für die ERÖFFNUNGSKONFERENZ  sind im VVK hier erhältlich.

Pressekontakt: Elisabeth Mohr, presse@wochederkritik.de

Die Woche der Kritik ist eine Veranstaltung des Verbands der deutschen Filmkritik, gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds, die Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst und die Rudolf Augstein Stiftung. Die Auftaktkonferenz findet in Kooperation mit der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste statt.