Die ersten Filme und die Auswahlkommission der Woche der Kritik 2026
Die ersten Filme der 12. Woche der Kritik stehen fest. Die Woche der Kritik 2026 findet vom 9. bis 17. Februar 2026 statt. Das Filmprogramm beginnt am Dienstag, den 10. Februar im Hackesche Höfe Kino und präsentiert frei kuratierte, aufregende Filme der aktuellen Festivalsaison.
Wie in zahlreichen Festivalausgaben zuvor, nehmen wir am Abschlussabend der Woche der Kritik wieder direkten Bezug zur Berliner Filmkultur. Dane Komljen studierte zuletzt an der Universität der Künste und ist weiterhin eng mit der Kulturszene der Stadt verbunden. Sein dritter Langfilm Desire Lines wird bei uns am 17. Februar erstmals in Berlin zu sehen sein. Der Regisseur eröffnet darin mit Ruhe, Ernst und Konsequenz ein komplexes Feld von Sexualität, Identität, Bewegung und Gemeinschaft – und spielt mit den Erwartungen an filmischen Realismus. If You Don’t Like It, Look Away: Am gleichen Abend zeigen wir einen Kurzfilm von Margaux Fournier aus Marseille, die ähnliche Fragen aufwirft, jedoch mit grundlegend anderen Methoden arbeitet. In ihrem dokumentarischen Kurzfilm porträtiert sie eine Gruppe von älteren Frauen während eines Nachmittags am Strand der Hafenstadt. Die scharfsinnigen formalen Entscheidungen hinter Fourniers Film bleiben zunächst hinter den angeregten Gesprächen der Strandbesucher*innen verborgen – nur um dann umso eindrücklicher in Erscheinung zu treten.
Mag Mag ist das Regiedebüt des japanischen Comedy-Superstars Yuriyan Retriever. Nach ihrem Karrierestart als Teil einer Idol-Gruppe und ihrem landesweiten Solo-Durchbruch als Standup-Comedian im Jahr 2021 begann die vielfältige Künstlerin zu rappen und ist mittlerweile auch vor der Kamera zu sehen. Kürzlich übernahm sie ihre erste Hauptrolle in der Netflix-Serie The Queen of Villains als Wrestling-Ikone Kaoru „Dump“ Matsumoto. Mit Mag Mag übersetzt sie ihr Faible für die lauten Töne, das Surreale und die geistreiche Körperkomik in eine unberechenbare, feministische Hommage an das J-Horror-Genre. Gemeinsam mit Retrievers Regiedebüt zeigen wir den experimentellen Kurzfilm Arguments in Favor of Love von Gabriel Abrantes. Ähnlich wie in Retrievers Film trifft hier emotionaler Ernst auf eine doppelbödige Komik. Wo Retriever Horrorfilm-Konventionen kommentiert, führt Abrantes die Symbolik von Geistern ebenso ad absurdum wie bekannte Tropen des Liebesfilms.
Im Rahmen unseres diesjährigen Themenschwerpunkts „Widersprechen, wieder sprechen – Grenzen und Potenziale von Streitkultur“ widmen wir einen unserer Kinoabende dem Essayfilm Israel Palestine on Swedish TV 1958-1989, der neuen Arbeit des schwedischen Dokumentarfilmers Göran Hugo Olsson (The Black Power Mixtape 1967-1975, Concerning Violence). Olsson und sein Team recherchierten mehr als fünf Jahre im Archiv des öffentlich-rechtlichen Fernsehens seines Landes und erstellten aus journalistischen Beiträgen zum Nahostkonflikt eine rund 200-minütige historische Montage. Mit seiner nüchtern-dialektischen Form leistete der Film bei den Filmfestspielen in Venedig 2024 einen wichtigen Beitrag zu einer komplexen Debatte und kommentierte gleichermaßen präzise die Mediengeschichte seines Landes.
In ihrem HFBK-Abschlussfilm Hinterlegte Nummern gelingt Farina Mietchen ein eleganter Spagat zwischen dokumentarischem und essayistischem Stil. Alltägliche Telefongespräche von Gefängnisinsassen mit Freund*innen und Partner*innen werden zum Dreh- und Angelpunkt einer tastenden und feinfühlig beobachtenden Untersuchung des Wesens unterschiedlicher Geräte und Medien, in der nicht jedes Signal ungestört übertragen wird, die Gefühle aber stets unmissverständlich bleiben. Fábio Rogério und Wesley Pereira de Castro schauen ebenfalls ganz genau und ganz sensibel hin, wenn sie in One Minute Is an Eternity for Those Who Are Suffering eine Wohnung als ganzes Universum inszenieren. Wesley Pereira de Castro eröffnet der Kamera nicht nur sein Zuhause, sondern auch sein Privatleben, sein Innenleben, seine Dämonen, seine Ängste – bis sich das Unterdrückte und Unsichtbare ganz und gar ins Zentrum des Films geschoben hat.
Die Auswahlkommission der Woche der Kritik 2026
Die Filmauswahl der Woche der Kritik erfolgt durch eine internationale Kommission von vorwiegend Filmkritiker*innen, deren Besetzung regelmäßig wechselt. Die Filmauswahl der Festivalausgabe 2026 haben Hamed Soleimanzadeh und Eileen Jones sowie unser langjähriges Kommissionsmitglied Lucía Salas gemeinsam mit Amos Borchert und Dennis Vetter von der kollektiven Künstlerischen Leitung der Woche der Kritik kuratiert. Wir danken zudem unserer Programmkoordinatorin Liuying Cao sowie unseren diesjährigen Berater*innen John Canciani, Joseph Fahim, Abba Makama, Giovanni Marchini Camia, Srikanth Srinivasan, Nanako Tsukidate und Sarnt Utamachote für ihre Impulse.
Eileen Jones ist Filmkritikerin beim Jacobin Magazine und Co-Moderatorin des Filmsuck-Podcasts. Sie ist pensionierte Dozentin am Institut für Film und Medien der University of California in Berkeley, wo sie auch ihren Doktortitel in Filmwissenschaft erworben hat. Zu ihren Arbeiten als unabhängige Drehbuchautorin und Produzentin zählen Suture unter der Regie von Scott McGehee und David Siegel sowie Conceiving Ada unter der Regie von Lynn Hershman-Leeson.
Lucía Salas ist eine argentinische Filmkritikerin, Programmgestalterin, Redakteurin und Filmemacherin, die in Spanien lebt. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit dem Kino in Vergangenheit und Gegenwart. Sie ist eine der Herausgeberinnen der Zeitschrift La vida útil. Sie studierte Bild- und Tondesign an der Universität von Buenos Aires und Ästhetik und Politik am CalArts und ist derzeit Doktorandin im Studiengang Communications-CINEMA an der Universitat Pompeu Fabra in Barcelona. Als Teil des Filmemacher-Kollektivs LaSiberia Cine drehte sie die Filme Implantación (2016), Los exploradores (2016) und Implantación (2011). Sie ist Herausgeberin des Buches Una luz revelada. El cine experimental argentino des Experimentalfilmers und Schriftstellers Pablo Marín und, zusammen mit Ricardo Matos Cabo, von Se acercan otros tiempos. El cine de Peter Nestler.
Hamed Soleimanzadeh ist Filmkritiker, Filmemacher und Dozent an der Universität Göttingen. Er promovierte in Kunstforschung mit Schwerpunkt Filmwissenschaft am Nazar Research Center in Teheran und hatte ein Stipendium als Einstein Guest Researcher an der Universität der Künste Berlin. Er war Jurymitglied bei über zwanzig renommierten internationalen Filmfestivals und -veranstaltungen, darunter die Golden Globe Awards, die Filmfestspiele von Cannes, die Berlinale, die Internationalen Filmfestspiele von Karlovy Vary, die Internationalen Kurzfilmtage von Oberhausen, das Göteborger Filmfestival, das Internationale Filmfestival von Istanbul und andere. Darüber hinaus ist er Gründer und Leiter des Abbas Kiarostami International Short Film Festival. Soleimanzadeh hat bei sieben Kurzfilmen Regie geführt und mehrere Bücher über Kino, Theater, Philosophie und Kultur veröffentlicht. Er ist FIPRESCI-Mitglied.
Die ersten Filme im Überblick:
Arguments in Favor of Love
R: Gabriel Abrantes, PT 2025, 9 Min.
Desire Lines (Linije želje)
R: Dane Komljen, RS/BA/NL/HR/DE 2025, 107 Min. – Deutschlandpremiere
Hinterlegte Nummern
R: Farina Mietchen, DE 2025, 20 Min. – Weltpremiere
If You Don’t Like It, Look Away (Au bain des dames)
R: Margaux Fournier, FR 2025, 30 Min. – Deutschlandpremiere
Israel Palestine on Swedish TV 1958-1989 (Israel Palestina på Svensk TV 1958-1989)
R: Göran Hugo Olsson, SE 2024, 200 Min.
Mag Mag (禍禍女)
R: Yuriyan Retriever, JP 2025, 112 Min.
One Minute Is an Eternity for Those Who Are Suffering (Um minuto é uma eternidade para quem está sofrendo)
R: Fábio Rogério, Wesley Pereira de Castro, BR 2025, 62 Min. – Deutschlandpremiere
Filmstill aus Mag Mag (R: Yuriyan Retriever) ©2026 K2 Pictures

