Das Filmprogramm der Woche der Kritik 2025 ist komplett
Was Flusspferde mit Stilwillen zu tun haben. Warum Worte und Menschen von der Bildfläche verschwinden. Wenn Killer auf Aussteiger und eine Tragödie treffen. Wie eine Ikone auf Zufälle und Kriegsbilder trifft. Die Filmauswahl der 11. Woche der Kritik ist abgeschlossen. Die Woche der Kritik 2025 findet vom 12. bis 20. Februar 2025 statt. Das Filmprogramm beginnt am Donnerstag, den 13. Februar im Hackesche Höfe Kino und präsentiert frei kuratierte, aufregende Filme der aktuellen Festivalsaison.
Offizielle Auswahl
Sich mit den Besonderheiten und dem Wesen von Nilpferden auszukennen, wird im Kurzfilm Hippopotami von JJ Lin zur Stilfrage. Ein Mann bezeichnet sie gleich zu Beginn als seine Lieblingstiere und bald bildet sein Gespräch mit einem Taxifahrer den Auftakt für eine Reihe von Begegnungen zwischen drei Erwachsenen und einem Kind. In so scharfsinnigen wie absurden Dialogen entwickelt der Regisseur Gleichnisse über die chinesische Gesellschaft. Sein Film trifft auf den neuen Film des Regisseurs, Autors und Schauspielers Skinner Myers, der mit Before You Fade Away Into Nothing ebenso eindrucksvoll wie zuletzt mit The Sleeping Negro zeigt, dass er für ein politisiertes Kino ohne stilistische Scheuklappen steht. Er erzählt von zwei Brüdern, die in ihrem Umgang mit der Trauer um ihren verstorbenen Vater ebenso unberechenbar sind wie letztlich die Form seines Films. Myers denkt seinen Geisterfilm in kontemplativen Tableaus, lässt Surrealismus auf Bresson’sche Nüchternheit treffen, Politik auf Poetik, Minimalismus auf Exzess.
Die filmische Sprache und das Sprechen insgesamt stehen im Zentrum von All Quiet at Sunrise – dem neuen Film von Zhu Xin, dessen Langfilmdebüt Vanishing Days 2019 im Forum der Berlinale Premiere feierte. Erneut lässt Zhu Xin Bedeutungsebenen in schillernden Nuancen ineinanderfließen. Ausgehend von der intensiven Beziehung eines Mannes zu seiner Mutter prüft er die feinen Trennlinien zwischen Realität, Traum und Fabel. Oskar Weimar erzählt in seinem Kurzfilm I Want to Be a House auf magisch-realistische Weise von einer Haushälterin in Nairobi, die beschließt, die Arbeit niederzulegen. Ihren Körper will sie mit allen Sinnen dem kolonialistischen Gebäude übergeben, dessen Besitzer*innen sie jahrelang gedient hat. Ihr Ziel, von der Bildfläche zu verschwinden, fordert die Mittel des Kinos heraus.
In ihrem Kurzfilm Bits hebelt Lilliya Scarlett Reid den Serienkiller-Film aus. Darin zeigt sie eine Frau, die besessen ist von einem Mann, der womöglich ein Mörder ist. In der Wahl ihrer Mittel und in ihrem Umgang mit Gewalt geht die Regisseurin weit und provoziert. Joel Potrykus ist für seine schwarzen Komödien bekannt, in denen er seit Jahren Männer und Frauen am Rande der Gesellschaft zeigt, um satirisch die US-Gegenwart zu kommentieren. In Vulcanizadora setzt er die Geschichte seiner Protagonisten Marty und Derek aus Buzzard fort, und das Lachen könnte einem beim Zusehen wieder im Halse stecken bleiben. Die beiden Filme treffen auf Bernardo Zanottas Kurzfilm Tragedy, der das Trauerspiel zum Titel macht – sich aber seinen Humor nicht nehmen lässt. Den eigenen Vater lässt er in seinem Pseudo-Home-Movie besonders dilettantisch über die Klinge springen.
Radu Jude nannte seine kürzlich veröffentlichte Hommage an Andy Warhol natürlich nicht zufällig Sleep #2 – er lässt das Zufällige in seiner Found-Footage-Arbeit aber umso deutlicher sprechen. Basierend auf Aufnahmen der neben Andy Warhols Grab installierten Live-Webcam, hat er mit Cătălin Cristuțiu einen Film montiert, der gleichermaßen observiert, improvisiert und meditiert. Auch Diane Severin Nguyen hat für In Her Time (Iris’ Version) konzeptionell gearbeitet und setzt sich in ihrer Arbeit mit der Darstellung von Krieg im Kino auseinander. Ähnlich wie Radu Jude spitzt sie politische Fragen in ihrem Film besonders zu, indem sie politische Bilder gegen den Strich bürstet und Irritationen gezielt mitdenkt. In der Arbeit begleitet sie eine junge Schauspielerin, die sich auf ihre Rolle als Nebendarstellerin in einem Historienfilm ganz unorthodox vorbereitet.
Special Screening
Im Rahmen eines Special Screenings haben wir Frédéric Jaeger, Mitgründer und von 2015 bis 2020 Künstlerischer Leiter der Woche der Kritik, zum Festival eingeladen. 2024 hat Frédéric Jaeger seine Arbeit als Kritiker und Programmgestalter zugunsten einer Karriere als Regisseur nach 20 Jahren beendet. In seinem Langfilmdebüt All We Ever Wanted versuchen drei junge Menschen aus Berlin, im Urlaub auf den Kanarischen Inseln mit ihrem Alltag zu brechen, sich neu zu erfinden und ihr Liebesleben umzudenken. Über persönliche wie berufliche Zuschreibungen und Rollenbilder innerhalb wie außerhalb der Filmbranche diskutieren wir im Anschluss an den Film.
Alle Filme des Programms im Überblick
All Quiet at Sunrise
R: Zhu Xin, CN 2025, 100 Min. – Weltpremiere
All We Ever Wanted
R: Frédéric Jaeger, DE 2024, 80 Min.
Before You Fade Away into Nothing
R: Skinner Myers, US 2025, 105 Min. – Weltpremiere
Bits
R: Lilliya Scarlett Reid, US 2024, 21 Min.
Casablanca
R: Adriano Valerio, FR/IT 2023, 61 Min.
Compassion and Inconvenience
R: Vika Kirchenbauer, DE 2024, 30 Min.
East of Noon
R: Hala Elkoussy, NL/EG/QA 2024, 109 Min. – Deutschlandpremiere
Emergency Exit (Uscita di Sicurezza)
R: Friedl vom Gröller, AT 2024, 5 Min. – Internationale Premiere
Hippopotami
R: JJ Lin, CN/HK 2025, 13 Min. – Europäische Premiere
I Want to Be a House (Nataka Kua Nyumba)
R: Oskar Weimar, KE 2024, 31 Min. – Weltpremiere
In Her Time (Iris’ Version)
R: Diane Severin Nguyen, US 2024, 67 Min. – Weltpremiere
Measures for a Funeral
R: Sofia Bohdanowicz, CA 2024, 142 Min. – Deutschlandpremiere
Aoquic iez in Mexico! Mexico will no longer exist! (¡Aoquic iez in Mexico! ¡Ya México no existirá más!)
R: Annalisa D. Quagliata Blanco, MX 2024, 80 Min. – Deutschlandpremiere
Sleep #2
R: Radu Jude, RO 2024, 62 Min. – Deutschlandpremiere
Tragedy (Tragédia)
R: Bernardo Zanotta, NL/FR/BR 2025, 15 Min. – Internationale Premiere
The Vampires of Poverty (Agarrando Pueblo)
R: Luis Ospina, Carlos Mayolo, CO 1978, 28 Min.
Vulcanizadora
R: Joel Potrykus, US 2024, 85 Min. – Deutschlandpremiere
What We Ask of a Statue Is That It Doesn’t Move (Afto pou zitame apo ena agalma ine na min kinite)
R: Daphné Hérétakis, GR/FR 2023, 32 Min.