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Konferenz 2025

Konferenz 2025

Themenschwerpunkt 2025:
Zurück zur Klassenfrage – Filmkultur und soziale Ungleichheit

>>>Der Vorverkauf für die Tickets der Eröffnungskonferenz in der Akademie der Künste (Pariser Platz) findet sich HIER.<<<

Filmabend in einer Berliner Kiezkneipe, Montag, 10. Februar 2025, 20 Uhr
Konferenz in der Akademie der Künste Berlin, Mittwoch, 12. Februar 2025, 18 Uhr
Filmprogramm und Diskussion im Hackesche Höfe Kino, Freitag, 14. Februar 2025, 19 Uhr
Schreibwerkstatt vom 12.–20. Februar (Bewerbung bis 17.12.2024)

Die soziale und ökonomische Herkunft bestimmt heute immer noch die gesellschaftlichen Erfolgschancen. Das Kino erzählt davon, doch in der Filmbranche selbst bleiben Diskussionen darüber weitestgehend aus. In Diskussionen, Vorträgen und Texten positionieren sich im Rahmen der Woche der Kritik 2025 lokale und internationale Gäste aus verschiedenen Disziplinen, Nachwuchsautor*innen sowie das Berliner Publikum zu den jüngeren Debatten um soziale Ungleichheit und Klassismus, die zuletzt durch Autor*innen wie Didier Eribon angestoßen wurden.

Der diesjährige Themenschwerpunkt steht im Zentrum von drei Veranstaltungsabenden sowie einer einwöchigen Schreibwerkstatt. Bereits vor Beginn der Berlinale verlassen wir unsere üblichen Spielorte und debattieren im Rahmen eines Kneipenabends mit dem Berliner Kiezpublikum über sein Verhältnis zum Kino – ganz ohne Expert*innen und ganz ohne Bühne. Am 12. Februar diskutieren wir im Rahmen unserer Auftaktkonferenz in der Akademie der Künste die Klassenfrage aus aktuellen Perspektiven, unter anderem mit Marco Müller (Festivalleiter/Produzent), Jovana Reisinger (Autorin/Regisseurin), Francis Seeck (Vermittler*in/Professor*in/Autor*in), Andreas Kemper (Soziologe), Nuray Demir (Künstlerin/Kuratorin), Heike-Melba Fendel (Autorin/Schauspielagentin) und Katalin Gennburg (Politikerin). Am 14. Februar folgt ein Filmprogramm mit anschließender Debatte zur Abbildung von Klassenverhältnissen mit den Mitteln des Kinos – mit dem Filmklassiker Vampires of Poverty von Luis Ospina und Carlos Mayolo sowie aktuellen Arbeiten von Vika Kirchenbauer, Friedl vom Gröller und Adriano Valerio. Begleitend zur Woche der Kritik diskutieren Nachwuchsautor*innen im Rahmen der Schreibwerkstatt Filmkritik und die Klassenfrage mit dem Filmkritiker Till Kadritzke und besprechen Filme und Veranstaltungen des Programms der diesjährigen Berlinale sowie der Woche der Kritik.

„Immer weniger Menschen in unserem Land haben eine wirkliche Chance, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und zu nutzen. […] Nirgendwo schaffen weniger Kinder den sozialen Aufstieg.“
– Marcel Fratzscher, Verteilungskampf – Warum Deutschland immer ungleicher wird (2016)

Selbst Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, nimmt derzeit kein Blatt vor den Mund, wenn er Politiker*innen hierzulande mangelndes Klassenbewusstsein attestiert. Denn die aktuellen Entwicklungen in Deutschland sprechen wie in vielen weiteren Ländern eine deutliche Sprache: Die Widersprüche des kapitalistischen Systems spitzen sich zu, soziale Gegensätze verschärfen sich und doch fehlt in Parteien und Institutionen eine Auseinandersetzung mit Klassenverhältnissen. Dies hat fatale Folgen: Es profitieren von dieser Entwicklung derzeit rechte Parteien und Bewegungen, denen es gelingt, den Frust vieler sozial Benachteiligter für sich zu nutzen – etwa wenn in Deutschland die AfD behauptet, sich im Namen des Volkes gegen Eliten zu richten und zugleich Maßnahmen vorantreibt, die die soziale Ungleichheit noch verschärfen würden. Der Erfolg dieser Bewegungen hat zu einem generellen Rechtsruck der öffentlichen Debatte geführt, in der klassenbasierte Ungleichheit nicht mit anderen Formen der Unterdrückung zusammengedacht, sondern gegen sie ausgespielt wird, etwa in der Verknüpfung der sozialen mit der Migrationsfrage.

Während die Politik die Frage der sozialen Gerechtigkeit der Rechten überlässt, erhielt die Klassenfrage in der Literatur zuletzt große Aufmerksamkeit – durch weitreichend diskutierte Veröffentlichungen kritischer Autor*innen wie Didier Eribon (Rückkehr nach Reims), Édouard Louis (Anleitung ein anderer zu werden) und Annie Ernaux (Die Jahre), oder in Deutschland durch Daniela Dröscher (Zeige deine Klasse), Christian Baron (Ein Mann seiner Klasse) oder Marlen Hobrack (Klassenbeste). Sie politisieren in ihren autobiografischen Büchern die eigene Sozialisation, erzählen von ihrem Klassenaufstieg oder -überlauf, von Veränderungen ihrer Lebensrealität und ihrer Selbstwahrnehmung. Dabei betrachten sie auch ausdrücklich ihr Umfeld im Kunst- und Kulturbereich, verhandeln die Bedeutung von Geschmack und Distinktionsformen sowie klassenbezogenen Weltbildern und Weltanschauungen, und denken über Zugehörigkeitsschranken der Mittelklasse und Initiationsrituale der Hochkultur nach. In diesen Texten erscheint die Kunst häufig als Währung des sozialen Aufstiegs. Auch die Beschäftigung mit Film und der Filmkultur ist heute vielerorts ein Ausdruck von Klassenprivilegien und kann zu deren Festigung dienen – obwohl das Kino kontinuierlich Bilder und Erzählungen über soziale Ungleichheit produziert und Regisseur*innen wie Ruben Östlund, Andrea Arnold, Sean Baker oder Bong Joon-ho damit Erfolge auf den großen Festivals feiern.

Die fehlende Auseinandersetzung mit der Klassenfrage in der Politik sowie die wachsende Forderung nach einer Sensibilität für Klassenunterschiede in der Literatur und Kunst – für die Woche der Kritik 2025 greifen wir kurz vor der Neuwahl des Bundestages diese beiden miteinander zusammenhängenden Entwicklungen auf. Im Rahmen unseres Themenschwerpunkts Zurück zur Klassenfrage – Filmkultur und soziale Ungleichheit wollen wir das Schweigen zur Klassenfrage in der Filmbranche brechen und die langsam wieder aufflammenden Debatten zu Klassenverhältnissen zum größten Filmfestival des Landes bringen. Wir suchen in der Diskussion mit Kolleg*innen nach blinden Flecken, Klassenscham, Statuspolitik und Möglichkeitsräumen – immer im Verhältnis zum Kino als sozialem Raum, dem das Potenzial innewohnt, Klassengrenzen durch gemeinsame und anonyme Filmerfahrungen zu überwinden. Der diesjährige Themenschwerpunkt der Woche der Kritik entsteht in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Veranstaltungen des Themenschwerpunkts im Überblick:

10. Februar 2025, 20 Uhr
Veranstaltungsort tba
Filmabend in einer Berliner Kiezkneipe

12. Februar 2025, 18 Uhr
Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 10117 Berlin
Diskussion u. a. mit Marco Müller (Festivalleiter/Produzent), Francis Seeck (Vermittler*in/Professor*in/Autor*in),
Nuray Demir (Künstlerin/Kuratorin), Heike-Melba Fendel (Autorin/Schauspielagentin), Katalin Gennburg (Politikerin)
Vorträge und Lesungen von Jovana Reisinger (Autorin/Regisseurin),
Andreas Kemper (Soziologe)
Begrüßung durch Peter Badel (Kameramann, Akademie der Künste)

14. Februar 2025, 19 Uhr
Hackesche Höfe Kino, Rosenthaler Str. 40–41, 10178 Berlin
Filmprogramm mit anschließender Debatte:
Emergency Exit (Österreich 2024, R: Friedl vom Gröller)
Compassion and Inconvenience (Deutschland 2024, R: Vika Kirchenbauer)
Vampires of Poverty (Kolumbien 1977, R: Luis Ospina und Carlos Mayolo)
Casablanca (Frankreich/Italien 2023, R: Adriano Valerio)
Gäste u. a.: Adriano Valerio, Vika Kirchenbauer

12.-20. Februar 2025
Schreibwerkstatt Filmkritik und die Klassenfrage
Mit Inputs von Francis Seeck (Vermittler*in/Professor*in/Autor*in) und Paola De Martin (Textildesignerin und Historikerin)
Werkstattleitung: Till Kadritzke (Kulturwissenschaftler und Filmkritiker)
Anmeldung bis zum 17.12.2024 über die Webseite der Woche der Kritik

Die Woche der Kritik 2025 findet vom 12. bis zum 20. Februar 2025 statt. Das Filmprogramm beginnt am Donnerstag, den 13. Februar, im Hackesche Höfe Kino.

Pressekontakt: Elisabeth Mohr, presse@wochederkritik.de

Copyright zum Konferenzmotiv: Videostill aus Compassion and Inconvenience, 2024 (c) Vika Kirchenbauer, VG Bild-Kunst

Die Woche der Kritik ist eine Veranstaltung des Verbands der deutschen Filmkritik, gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds und die Rudolf Augstein Stiftung. Die Auftaktkonferenz findet in Kooperation mit der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste statt. Der diesjährige Themenschwerpunkt entstand in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.