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Die ersten Filme und die Auswahlkommission der Woche der Kritik 2025

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Die ersten Filme und die Auswahlkommission der Woche der Kritik 2025

Die ersten Filme und die Auswahlkommission der Woche der Kritik 2025

Die ersten Filme und die Auswahlkommission der Woche der Kritik 2025

Wie Stagnation zu Entwicklung führt. Wie ein Gleichnis Ungleichheit zeigt. Wie aus Pamphleten Bilder entstehen. Wie Klassenverhältnisse sich abbilden und überwinden lassen. Die ersten Filme der 11. Woche der Kritik stehen fest. Die Woche der Kritik 2025 findet vom 12. bis 20. Februar 2025 statt. Das Filmprogramm beginnt am Donnerstag, den 13. Februar im Hackesche Höfe Kino und präsentiert frei kuratierte, aufregende Filme der aktuellen Festivalsaison.

In Measures for a Funeral geht Sofia Bohdanowicz von der Stagnation einer jungen Akademikerin namens Audrey Benac aus. Aufgewühlt vom drohenden Tod ihrer Mutter vertieft sich Audrey in deren Lebensgeschichte und eine gescheiterte Laufbahn als Geigerin. In ihrer Arbeit erforscht sie zugleich fast obsessiv Leben und Werk der kanadischen Violinistin Kathleen Parlow, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „Lady mit dem goldenen Bogen“ bekannt war. In ihrem so souveränen wie eigensinnigen Film verwebt Bohdanowicz ihre Biografie mit den Perspektiven von vier Frauen: Mit dem Leben Kathleen Parlows, mit der Arbeit der Violinistin María Dueñas, die im Film als Darstellerin eine besondere Präsenz entwickelt, mit der erfundenen Figur Audrey Benac und mit dem nuancierten Schauspiel ihrer langjährigen Wegbegleiterin Deragh Campbell, die in der Hauptrolle und als Mitautorin ein wichtiges Zentrum des Films bildet. Campbell spielt Audrey Benac für Bohdanowicz bereits zum fünften Mal und arbeitete mit ihr auch bereits als Co-Regisseurin zusammen. Ein Film, der vom Stillstand erzählt, aber eine evolutionäre Energie in sich trägt – Evolution einer Regisseurin, einer Zusammenarbeit, eines Stils.

Am Eröffnungsabend der diesjährigen Woche der Kritik ergründet Hala Elkoussy mit ihrem zweiten Langfilm East of Noon das politische Potenzial des poetischen Kinos. Ihr Film erzählt von dem Musiker Abdo, der mit seiner Partnerin Nunna von einem neuen Leben jenseits ihrer gemeinsamen Heimatstadt träumt, während beide durch ihr Umfeld brutal unterdrückt und ausgebeutet werden. East of Noon funktioniert als satirisches Gleichnis, dabei formuliert Elkoussy eine unzweideutige Kritik an bestehenden Herrschafts- und Geschlechterverhältnissen – innerhalb und außerhalb der ägyptischen Gesellschaft. Wie sich die politische Gegenwart in ihrem Heimatland abbilden lässt, beschäftigt Elkoussy schon seit langer Zeit: 2013 veröffentlichte sie einen Fotoband zum urbanen Leben nach der ägyptischen Revolution. In East of Noon beschwört sie nun in schwarz-weißen Analogaufnahmen die Filmgeschichte, etwa Fellini und Godard, um diese mit dem heutigen Bewusstsein zu verbinden. Sie lässt das Traumwandlerische auf konkrete Gewalt treffen, und zeigt letztlich nur einen Ausweg: einen Ausbruch, eine Umwälzung, eine Revolution.

Ein Abend zu den Grenzen und Möglichkeiten filmischer Pamphlete beginnt mit dem neuen Kurzfilm von Daphné Hérétakis. In What We Ask of a Statue Is That It Doesn’t Move beschwört sie ein gemeinsames Wir der Menschen, im Verhältnis zu Körpern aus Stein, großen Worten in Gedichten und der Last der griechischen Geschichte. Anstatt sich lähmen zu lassen von den Tragödien der Gegenwart, der desolaten Wirtschaftslage in ihrer Heimat und der Ermüdung dortiger revolutionärer Initiativen, erprobt sie mit ihrem windigen, unberechenbaren Film Möglichkeiten des visuellen Widerstands gegen Gattungsgrenzen. Annalisa D. Quagliata Blanco entscheidet sich ebenfalls für das rastlose Kino, am gleichen Abend wird sie das Ende ihres Heimatlandes ausrufen: In Mexico will no longer exist! zieht sie ihre Inspiration aus dem Avantgarde- und Experimentalfilm, der Punk-Bewegung und der Performancekunst. Ausgehend von der Instrumentalisierung indigener Geschichte für einen mexikanischen Nationalmythos montiert sie sinnliche und kämpferische Körper, um Identitätsfragen, postkoloniale Verhältnisse und feministische Kämpfe miteinander zu verschalten, während ihr Film selbst zum energiegeladenen Bewusstseinsstrom wird.

Der Themenschwerpunkt der diesjährigen Woche der Kritik widmet sich unter dem Titel Zurück zur Klassenfrage – Filmkultur und soziale Ungleichheit der in den letzten Jahren wieder erstarkenden gesellschaftlichen Auseinandersetzung um Klassenpolitik. Nach einer Konferenz am 12. Februar in der Akademie der Künste folgt am 14. Februar ein thematisches Filmprogramm, bei dem wir mit internationalen Gästen über die Repräsentation von Klassenverhältnissen mit den Mitteln des Kinos diskutieren. Vier Filme werden an diesem Abend zu sehen sein: In Emergency Exit verwebt Friedl vom Gröller das Porträt einer Arbeiterin und analoge Stadtaufnahmen mit Zeilen aus der Ballade „Die Seeräuber-Jenny“ aus der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Vika Kirchenbauer steckt den filmischen und sozialen Raum scharf ab, wenn sie in Compassion and Inconvenience in einer Galerie-Kulisse Texte aus der Entstehungszeit der ersten Kunstausstellungen der Geschichte vortragen lässt. Im Zentrum steht dabei die Frage, wer zu Kunstwerken ursprünglich Zugang erhalten sollte und zu welchem Preis. Die scharfsinnige kolumbianische Mockumentary The Vampires of Poverty von Luis Ospina und Carlos Mayolo erschien 1978 und gilt bis heute als einer der historisch wichtigsten filmischen Kommentare zur Darstellung von Armut im Film. Der Kontrast zu vielen aktuellen Arbeiten zeigt, dass das Kino sich in seiner Eloquenz nicht nur weiterentwickelt. In Casablanca schließlich nähert sich Adriano Valerio dem Spannungsverhältnis zwischen der filmischen Markierung von Klassenverhältnissen und der Suche nach ihrer Überwindung durch die Mittel der Kunst.

Die Auswahlkommission der Woche der Kritik 2025

Die Filmauswahl der Woche der Kritik erfolgt durch eine internationale Kommission, die sich vorwiegend aus Filmkritiker*innen zusammensetzt und deren Besetzung regelmäßig wechselt. Die Filmauswahl der Festivalausgabe 2025 kuratierten Călin Boto und Hamed Soleimanzadeh sowie unser langjähriges Kommissionsmitglied Lucía Salas gemeinsam mit Petra Palmer und Dennis Vetter von der kollektiven Künstlerischen Leitung der Woche der Kritik. Wir danken zudem unserer Programmkoordinatorin Liuying Cao sowie unseren Berater*innen Dunja Bialas, Abba Makama, Pedro Segura und Nanako Tsukidate für ihre Impulse.

Călin Boto ist Filmkurator, Programmgestalter und Autor in Bukarest und arbeitet als assoziierter Kurator für das Bucharest International Experimental Film Festival (BIEFF). Er ist ausgebildeter Filmkritiker und schreibt für verschiedene Publikationen, darunter Filmexplorer (Schweiz) und Films in Frame (Rumänien). Er ist Mitglied von FIPRESCI und Absolvent von Filmkritik- und Geschichtsworkshops, die von Festivals in Sarajevo, Warschau, Locarno und Pordenone organisiert wurden. Er hat Vorführungsreihen in der rumänischen Kinemathek und Festival-Retrospektiven u.a. zum Experimentalfilm, zum Queer Cinema und zum Stummfilm kuratiert. Im Jahr 2023 nahm er an RAW teil, einem von Short Waves (Poznań) organisierten Workshop, der sich an aufstrebende Filmprogrammmacher*innen richtet. Im Jahr 2024 kuratierte er das erste Il Cinema Ritrovato on Tour in Bukarest.

Lucía Salas
 ist eine argentinische Filmkritikerin, Programmgestalterin, Redakteurin und Filmemacherin, die in Spanien lebt. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit dem Kino in Vergangenheit und Gegenwart. Sie ist eine der Herausgeberinnen der Zeitschrift La vida útil. Sie studierte Bild- und Tondesign an der Universität von Buenos Aires und Ästhetik und Politik am CalArts und ist derzeit Doktorandin im Studiengang Communications-CINEMA an der Universitat Pompeu Fabra in Barcelona. Als Teil des Filmemacher-Kollektivs LaSiberia Cine drehte sie die Filme Implantación (2016) und Los exploradores (2016). Sie hat das Buch Una luz revelada. El cine experimental argentino des Experimentalfilmers und Schriftstellers Pablo Marín (La vida útil, 2022) herausgegeben, ebenso wie Se acercan otros tiempos. El cine de Peter Nestler, gemeinsam mit Ricardo Matos Cabo.

Hamed Soleimanzadeh ist Filmkritiker, Filmemacher und Dozent an der Universität Göttingen. Er promovierte in Kunstforschung mit Schwerpunkt Filmwissenschaft am Nazar Research Center in Teheran sowie in Film und Philosophie an der Universität der Künste Berlin. Er war Jurymitglied bei über zwanzig renommierten internationalen Filmfestivals und -veranstaltungen, darunter die Golden Globe Awards, die Filmfestspiele von Cannes, die Berlinale, die Internationalen Filmfestspiele von Karlovy Vary, die Internationalen Kurzfilmtage von Oberhausen, das Göteborger Filmfestival, das Internationale Filmfestival von Istanbul und andere. Darüber hinaus ist er Gründer und Leiter des Abbas Kiarostami International Short Film Festival. Soleimanzadeh hat bei sieben Kurzfilmen Regie geführt und Hunderte von Artikeln sowie mehrere Bücher über Kino, Theater, Philosophie und Kultur veröffentlicht.

Die ersten Filme im Überblick

Casablanca
R: Adriano Valerio, FR/IT 2023, 61 Min.

Compassion and Inconvenience
R: Vika Kirchenbauer, DE 2024, 30 Min.

East of Noon
R: Hala Elkoussy, NL/EG/QA 2024, 109 Min. – Deutschlandpremiere

Emergency Exit (Uscita di Sicurezza)
R: Friedl vom Gröller, AT 2024, 5 Min. – Deutschlandpremiere

Measures for a Funeral
R: Sofia Bohdanowicz, CA 2024, 142 Min. – Europapremiere

Mexico will no longer exist! (¡Aoquic iez in Mexico! ¡Ya México no existirá más!)
R: Annalisa D. Quagliata Blanco, MX 2024, 80 Min. – Deutschlandpremiere

The Vampires of Poverty (Agarrando Pueblo)
R: Luis Ospina, Carlos Mayolo, CO 1978, 28 Min.

What We Ask of a Statue Is That It Doesn’t Move (Afto pou zitame apo ena agalma ine na min kinite)
R: Daphné Hérétakis, GR/FR 2023, 32 Min.

Zum Vorverkauf für die Auftaktkonferenz

Pressekontakt: Elisabeth Mohr, presse@wochederkritik.de

Die Woche der Kritik ist eine Veranstaltung des Verbands der deutschen Filmkritik, gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds und die Rudolf Augstein Stiftung. Die Auftaktkonferenz findet in Kooperation mit der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste statt. Der diesjährige Themenschwerpunkt entstand in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die Anreise der Regisseurin Hala Elkoussy zum Festival wird durch die Unterstützung des Goethe Instituts Kairo ermöglicht.